Brainfood 29.6.2018

Immobilienmarkt - Die SNB publizierte ihren Finanzstabilitätsbericht, der u.a. eingehend auf die Problematik der Ungleichgewichte im Immobilien- und Hypothekenmarkt eingeht. Auffällig ist, dass insbesondere die Risiken im Bereich der Wohnrenditeliegenschaften stark gestiegen sind. Es ist genau dieses Segment des Immobilienmarktes, das Pensionskassen anlockt, die unter Renditedruck ihre Gelder fast um jeden Preis in vermeintlich sichere Anlagen stecken. Darüber hinaus hat die Zinsmarge der inlandorientierten Banken einen neuen Tiefststand erreicht, was diese mit einer Ausweitung des Hypothekarvolumens zu kompensieren versuchen. Mit anderen Worten: die Nationalbank kommentiert und beklagt die Folgen ihrer eigenen Politik.

Welche Antworten hat die SNB bereit? Der Fokus soll auf der Selbstregulierung der Banken liegen, d.h. geringere Belehnungen, höhere Amortisationen etc. Ob damit der Appetit auf das Hypothekargeschäft unter den Kantonal- und Raiffeisenbanken gezügelt werden kann, wird sich weisen.

 

Die starke Nachfrage nach minimal rentierenden und überteuerten Immobilien könnte allerdings auch anderweitig angegangen werden. So ist es beispielsweise an der Zeit, die Vorsorgewerke, inkl. AHV von den Negativzinsen auszunehmen. Die SNB hätte so die Möglichkeit, den Weg aus der schädlichen Negativzinspolitik mit einem ersten Schritt einzuleiten. Das Thema ist auch im Parlament mittels einer Standesinitiative des Kantons St. Gallen hängig, wobei der Ständerat das Begehren einstimmig mit (k)einer Begründung abgelehnt hat. Wir stellen fest: die Schweizerische Nationalbank geniesst kritik- und vorbehaltloses Vertrauen.

 

Der Wandel der Zeit - kürzlich war von einer Rochade im Dow Jones Industrial Index zu lesen. Mit General Electric wurde eine Ikone der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte aus dem Dow entfernt und mit der Apothekenkette Walgreens ersetzt. Dieser "Abstieg" ist wahrlich symbolträchtig für ein Unternehmen, das 1896 Gründungsmitglied des legendären Aktienindexes war.

Unvergessen sind die Zeiten Ende der 90er Jahre, als GE das grösste und vermeintlich erfolgreichste Unternehmen war. GE wurde von Jack Welch angeführt, der damals als bester Manager aller Zeiten betitelt wurde. Welch baute ein Konglomerat zusammen, das von Flugzeugtriebwerken, Gasturbinen über Medizinaltechnik bis zur Glühbirne alles produzierte. Das Credo lautete immer: mit Kostendisziplin und Marktführerschaft kann jedes Geschäftsfeld erfolgreich betrieben werden. Über allem aber thronte das Finanzgeschäft von General Electric - GE Capital, mit dessen Hilfe die Geschäfte angetrieben wurden. GE Capital war allerdings auch dafür verantwortlich, dass der Konzern während der Finanzkrise beinahe in den Ruin getrieben wurde. In den folgenden Jahren erholte sich General Electric scheinbar wieder. Die boomende Weltwirtschaft bescherte den Produzenten von Kapitalgütern bessere Geschäfte. Bei ABB oder Siemens zeigte die Kurve beständiger nach oben, während die Amerikaner unvermittelt wieder abstürzten und mittlerweile vor der Demontage stehen.

Das Schicksal von GE mag spektakulär sein, aber vorallem zeigt es eines: was 100 Jahre währte, wird im Jahrhundert der Digitalisierung  innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf gestellt. Vor diesem Hintergrund sind Ranglisten mit den Leadern von heute mit Vorsicht zu geniessen, vorallem wenn es um Aktienanlagen geht.

 

Episch - ist eine weitere Übernahmeschlacht an der Wall Street. Disney zieht im Kampf um 21st Century Fox gegen den Kabelnetzbetreiber Comcast alle Register. Nachdem ursprünglich USD 52 Mrd. für Rupert Murdochs Imperium geboten wurden, erhöhte Disney das Angebot um sage und schreibe 20 Mrd. Dollar auf über 70 Milliarden. Nachdem erst gerade Time Warner von AT&T geschluckt wurde, stellt sich die Frage, ob in der Unterhaltungsindustrie eventuell die Pferde durchgebrannt sind. In Tat und Wahrheit scheint es so, dass sich die traditionellen Unterhaltungsfirmen gegen die aufkommende Internet Konkurrenz von Netflix & Co. wappnen wollen.

Ein Blick auf die Einschätzung der Börse zeigt, dass die Unruhe verständlich ist, verschwindet doch ein sehr erfolgreiches Unternehmen wie Walt Disney im Vergleich zu Netflix als Randnotiz. Ob das alles Sinn macht - Bewertungen und Übernahmen - möchten wir bezweifeln. Ungute Erinnerungen an die letzte Blase 1999/2000 werden wach. für diejenigen, die sich erinnern: Time Warner wurde damals bereits einmal übernommen, und zwar von einer Internetfirma Namens AOL. Eine Geschichte mit unrühmlichem Ende.

Holprige Fahrt - Der Fahrspass in der deutschen Automobilindustrie war auch schon grösser. Der Blick auf die Börsenkurse zeigt: es geht zumindest temporär abwärts. Die Schuldigen für das Malaise sind schnell gefunden. Fangen wir beim Hausgemachten an. Der Dieselskandal kocht weiter vor sich her. Da wurde vor wenigen Tagen der langjährige Chef von Audi in Untersuchungshaft genommen und nun muss auch Daimler noch Tausende von Fahrzeugen wegen Verdachts auf Softwaremanipulation zurückrufen. Währenddessen schläft die Konkurrenz nicht, wie der vielbeachtete Qualitätsreport von J.D. Power zeigt. Im amerikanischen Markt haben die Koreaner das Zepter übernommen und sich in der Qualitätsrangliste vor die Deutschen an die Spitze geschoben. Viel schwerer wiegt aber der drohende Handelskrieg mit den Amerikanern, vorerst mit indirekter Wirkung. Daimler z.B. wird wegen der Strafzölle, mit denen China US Importe belegt, weniger Fahrzeuge aus US Produktion ins Reich der Mitte liefern können. Noch nicht absehbar sind die Folgen aufgrund der angedrohten Strafzölle, die Trump den Europäern abknöpfen will.

 

Fortsetzung folgt.

 

Filmreif - ist die Geschichte der "brillianten" Jungunternehmerin Elizabeth Holmes. Mit verbissenem Ehrgeiz eiferte sie ihrem Idol Steve Jobs nach, um zu guter Letzt nach einem Milliarden Betrug auf der Anklagebank zu sitzen. Holmes drohen 20 Jahre Haft - noch vor zwei Jahren wurde ihr Medtech Startup Theranos mit USD 9 Mrd. bewertet und honorige Förderer wie Larry Ellison, US Verteidigungsminister Mattis oder Henry Kissinger waren entweder mit Geld oder ihrem Netzwerk zur Stelle. Einen lesenswerten Artikel zur Theranos Saga hat die NZZ am Sonntag publiziert.

Was aber über diesen Fall hinaus zu sagen ist: offensichtlich ist es im Umfeld der Silicon Valley Venture Capital/Startup Szene üblich, dass getreu dem Motto "Fake it, till you make it" unlautere Methoden zur Anwendung kommen, um an das Geld der Investoren zu gelangen. Trotz dem Theranos Skandal wird sich an dieser Praxis nichts ändern, denn wichtig für den Erfolg sind aggressive Ambitionen und Drive, um grosse Erfolge erst möglich zu machen, wie dieser Bericht erläutert. Eine typisch amerikanische Mentalität, die sich auch auf dem politischen Parkett durchzusetzen scheint.

 

Unseriös - ist ein Adjektiv, das gerne im Zusammenhang mit der Finanzindustrie bemüht wird. Und tatsächlich bringt es die Branche immer wieder fertig, die Vorurteile zu bestätigen. Das jüngste Beispiel: ein angeblicher Hobby Trader in Frankreich handelt Milliardenbeträge auf einer Broker Plattform in England. Dabei dreht er einen Verlust von EUR 1 Mio. in einen Gewinn von 10 Mio. Das Irre an der Geschichte ist, dass der Zocker sich auf der Demo Version von Valbury Capital wähnte, in Tat und Wahrheit aber mit echtem Geld spekulierte. Wir wollen die Frage nicht aufwerfen, was dieser Vorgang über das Risiko Management des Brokers sagt (unseriös) oder wer genau den Schaden getragen hätte, wenn die Milliardengeschäfte aus dem Ruder gelaufen wären. Scheinbar ist es aber immer noch möglich, dass sich Leute wie die legendären Figuren Jérome Kerviel (Société Générale) oder Kweku Adoboli (UBS) an den Märkten umtreiben. Passend zu diesem Vorfall hat Swissquote eine ausgiebige und klischeehafte Reportage zum Thema "So ticken die Trader" publiziert.

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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Thomas Urech

Wie immer pointiert geschrieben und sehr interessant zu lesen. Keep it up!

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