Brainfood 4.5.2018

Kurz notiert

 

- US Zinsen - Der Anstieg der Renditen 10jähriger US Staatsanleihen auf 3% hat dieser Tage die Finanzgemeinde in eine kleinere Aufregung versetzt. Ist diese Wegmarke tatsächlich relevant für die Investoren? Bloomberg und Pictet erklären den Sachverhalt. Was aus unserer Sicht weiterhin ins Auge sticht: die  Renditedifferenz   zwischen USA und Europa ist gewaltig.

 

- Sawiris - Hierzulande assoziieren wir den Namen Sawiris mit dem Andermatt Resort. Tatsächlich ist Samih Sawiris bekannt für sein riskantes und grosses Investment im Kanton Uri. Sein Bruder Naguib investiert ebenfalls unorthodox und langfristig. Seit 10 Jahren ist er in Nordkorea engagiert und könnte einer der grossen Profiteure werden, wenn ein Friedensabkommen zwischen Nord und Süd Realität werden sollte. Clever. Interessant ist aber eine andere grosse Wette, die er eingegangen ist.

 

- Ölpreis - Hausbesitzer mit tiefem Heizölstand in ihren Tanks haben es schon länger beobachtet: der  Ölpreis steigt zügig , und zwar um satte 45% seit August 2017. Die Erklärungen liegen auf der Hand: 1) die Opec beschränkt weiterhin die Produktion, 2) höhere weltweite Nachfrage aufgrund des synchronen Wirtschaftsaufschwungs und 3) aufkommende Unruhe im Zusammenhang mit dem Iran Atomdeal. Es gibt Leute, die finden das  inakzeptabel , was nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass für 40% der Amerikaner der  Effekt der Steuersenkungen durch höhere Benzinpreise bereits kompensiert ist.

 

- Wo Studierende am liebsten arbeiten - Dieser Frage geht die Bilanz in diesem Artikel nach. Immer noch beliebt sind Banken, trotz ihrer zweifelhaften Reputation und den trüben Zukunftsaussichten, sowie andere namhafte Grossunternehmen. Diese Ergebnisse sind doch eher erstaunlich und wirken wenig inspiriert, nachdem allgemein das Jungunternehmertum und die Startup Kultur gefeiert werden. Diese Woche fand wieder die empfehlenswerte #FuckUpNight des ETH Entrepreneur Clubs vor 1'500 Leuten statt. Der Beobachter hatte nicht den Eindruck, dass die Studierenden den wohligen Hafen einer Grossunternehmung suchen.


 

Atomabkommen - In wenigen Tagen wird Trump entscheiden, ob er das Atomabkommen mit Iran einseitig aufkündigen will. Hier zur Erinnerung einige Details zu diesem komplexen Vertragswerk. Möglicherweise vermutet der amerikanische Präsident, dass der Iran nach Ablauf der Vereinbarung im Jahr 2025 die atomare Aufrüstung wieder vorantreiben wird. Wie es scheint, hat sich das Land aber bisher an die Abmachungen gehalten. Trotzdem ist für Trump die Sache klar. Pünktlich nun zur anstehenden Entscheidung der US Administration hat der israelische Premierminister offenbart, dass der Mossad in einer dieser filmreifen Kommandoaktionen Beweise beschafft hat, dass die Iraner lügen. 

Wer über die Jahre das Geschehen im Nahen Osten verfolgt hat, der kann nur eine Tatsache feststellen, die leider nicht anzuzweifeln ist: jeder Akteur hat mehr oder weniger "Dreck am Stecken" und trägt das Seinige dazu bei, dass Stabilität und Prosperität in der Region weiter entfernt sind denn je.

Ein Gedanke noch, wenn es um die theatralische Präsentation von Beweisen geht. Unvergessen ist der legendäre Auftritt des amerikanischen Aussenministers Colin Powell vor dem UNO Sicherheitsrat zur Rechtfertigung, warum die USA dem Irak den Krieg erklären müssen. Wie man heute bestens weiss, war das der erste dokumentierte Fall von Fake News im grossen Stil in der jüngeren Geschichte, mit Auswirkungen, die bis zum heutigen Tag andauern.

WeWork - Wir haben mehrfach über Unicorns aus der Venture Capital Welt berichtet. Spotify z.B. ist eines jener Einhörner, das vor ein paar Wochen den Gang an die Börse wagte. Mit WeWork ist ein weiteres Startup in den Startlöchern für ein Listing. Die Bewertung dieser Firma bewegt sich zur Zeit um USD 20 Mrd. Gemeinsamkeit mit Spotify: hohes Wachstum - grosse Verluste.

Ein herrliches Detail, das jedem Wirtschaftsprüfer die Nackenhaare sträubt, ist dem  Wall Street Journal aufgefallen. WeWork hat eine neue Terminologie im Financial Reporting eingeführt, und zwar die Kennzahl  "community adjusted Ebitda" . Gemessen an dieser Grösse schreibt das Unternehmen gar keine Verluste, sondern ist bereits profitabel. Community adjusted Ebitda kann man für weniger buchhaltungsaffine Leser wie folgt definieren: Umsatz abzüglich Personalkosten = Gewinn. Kreative Buchführung ist nichts Neues und wird von euphorischen Investoren gern in Kauf genommen, um an einer  tollen Story teilhaben zu können. Wir klassieren WeWork in der Kategorie "Auswüchse der Finanzmärkte" und freuen uns auf diesen Börsengang.

Fintech - Auf ein Update, was in der Schweizer Fintech Szene so läuft, sind wir bei der FuW gestossen. Ergänzend dazu hat die gleiche Zeitung einen  Artikel  publiziert, wie es um allfällige Börsengänge aus diesem vielgepriesenen Ökosystem steht. Das Fazit fasst der bekannte Fintech-Investor Marc Bernegger so zusammen: "Es gibt keine Schweizer Fintech-Unternehmen, die genug Umsatz und Gewinn für einen Börsengang aufweisen." Ein anderer Experte meint im gleichen Beitrag, dass die Schweiz als Markt zu klein sei.

Merkwürdigerweise lesen wir gleichzeitig in der Financial Times, dass ein schwedisches Fintech Startup mit dem sperrigen Namen  iZettle ein IPO plant, später im Jahr soll eine niederländische Firma mit dem namen Adyen folgen. Der erste Gedanke, der uns dazu einfällt: Holland und Schweden, das sind doch auch nicht eben grosse Märkte. Den zweiten Gedanken zum Hype im CH Fintechsektor verschieben wir auf später.

Transparenz - Im Jahr 2014 haben sich die Regierungen der G20 verpflichtet, das Konstrukt anonymer Gesellschaften abzuschaffen. Im April 2018 wurde dazu von Transparency International ein Zwischenbericht publiziert. Im Zusammenhang mit den verschärften Transparenzbemühungen hat der Bundesrat kürzlich eine umstrittene Gesetzesvorlage zur Abschaffung der Inhaberaktien präsentiert. Nur gerade die SP steht hinter der bundesrätlichen Vorlage, was schon einiges über die Akzeptanz der geplanten Änderung aussagt. So oder anders, die Tage der Inhaberaktie sind wohl gezählt, denn auch andere Länder verschärfen ihre Gesetze in ähnlicher Sache. So veröffentlichte Grossbritannien diese Woche  neue Massnahmen , die ihre Übersee Territorien (sprich BVI, Bermudas etc.) zwingen, die Besitzverhältnisse der dort registrierten Gesellschaften offenzulegen, und zwar bis Ende 2020.

Der Ärger auf den Karibikinseln ist gross. Aus Sicht der Schweiz ist es erfreulich, dass die neuen Spielregeln tatsächlich auch global umgesetzt werden. Erstaunlich bleibt aber weiterhin die  stattliche Zahl wichtiger Länder , die bei der Umsetzung der von ihnen selber geforderten Vorgaben hinterherhinken.

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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