Brainfood 27.7.2018

Nachhaltiges Investieren - Einer der grössten Trends in der Finanzbranche sind "Sustainable Investments". Unter dem Oberbegriff "ESG" (Environmental Social Governance) finden sich verschiedenste Anlagestrategien, die nachhaltige Geschäftspraktiken der Unternehmen fördern und fordern. Die Grundlagen für ESG Ratings basieren auf den Nachhaltigkeitszielen der UNO. In der Tat ist nachhaltiges Investieren verlockend: wer möchte nicht sein Vermögen entsprechend den eigenen Moralvorstellungen anlegen und dabei noch eine bessere Rendite erzielen?

Was zu gut tönt, um wahr zu sein, hat eventuell einen Haken. Tatsächlich zeichnen sich Tendenzen ab, welche die Effizienz der gängigen Nachhaltigkeitsinvestments in Zweifel ziehen. Einerseits gibt es einen undurchsichtigen Wildwuchs an ESG Ratings nach verschiedensten Selektionskriterien, andererseits stimmt in vielen Fällen die Performance nicht mit den Erwartungen überein (Marketwatch). Dass es die Finanzbranche und die der Nachhaltigkeit verpflichteten Unternehmen mit ihren Schlagwörtern nicht so genau nehmen, illustrieren folgende zwei Beispiele:

Burberry machte dieser Tage Schlagzeilen, weil das Unternehmen unverkäufliche (Luxus)Ladenhüter verbrannte. Das Unternehmen wurde letztes Jahr zum dritten Mal in Folge in den Dow Jones Sustainability Index aufgenommen.

Ethos, der Schweizer Marktführer für nachhaltige Anlagen, bietet verschiedene Fondsprodukte an, von denen uns besonders eines unangenehm aufgefallen ist: Pictet-Ethos CH-Swiss Sustainable Equities. Der Fonds ist eine schlecht diversifizierte  Mogelpackung . Dazu passt noch dieses kleine Detail: der Luxusgüterproduzent  Richemont , eine im Fonds übergewichtete Position, fällt ebenfalls wie Burberry mit Produktvernichtungsaktionen auf. Soviel zum Thema Nachhaltigkeit.

 

Börsenlistings - Von einer "IPO Welle" an der Schweizer Börse berichtet die Finanzpresse. In der Tat sind bis Mitte Juli mehr Firmen kotiert worden, als in den Vorjahren. Leider sagt die Quantität noch nichts über die Qualität der Neuzugänge aus. Wie ein Überblick zeigt, häufen sich die Fehltritte in diesem Jahr. Bedenklich sind Kotierungen wie jene von Asmallworld und Blackstone Resources, bei letzterem Unternehmen mit prägendem Hintergrund, wie im Finanz Boulevard berichtet wird. Ein wenig mehr Sorgfalt dürfte man von der Schweizer Börse schon erwarten, gilt es doch den guten Ruf des Finanzplatzes im Auge zu halte. Stellvertretend für die seriösen Börsengänge steht die VAT Group, wie in einer Reportage der NZZ nachzulesen ist.

 

Trade War Update - Keine Woche vergeht, ohne dass sich der Handelsdisput der USA gegen den Rest der Welt verschärft. Letzten Freitag war Trump wieder an der Reihe. In einer Twitter Salve beschwert er sich über angebliche Währungsmanipulationen Chinas und Europas. Gleichzeitig erhebt er die Drohung, die Strafzölle auf das gesamte chinesische Handelsvolumen auszudehnen. Trump hat richtig beobachtet: die chinesische Währung ist im Sinkflug. Sie büsst seit Juni 9% gegenüber dem Dollar ein. Ob es sich tatsächlich um willentliche Manipulation seitens Chinas handelt, ist umstritten. Die Wirtschaft des Landes zeigt Bremsspuren, was erste Interventionen der Zentralbank auslöste.

In einer Randnotiz wurde kürzlich bekannt, dass Russland im ersten Halbjahr 2018 die Hälfte seiner Bestände an US Staatsanleihen abgestossen hat, immerhin rund 50 Milliarden USD. Die Chinesen, grösste Investoren in amerikanischen Staatsanleihen, haben also genug Muskelmasse, um das Rad der Eskalation weiter zu drehen.

FANG+ - Gefühlt immer häufiger machen die grossen Tech Firmen mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam. Google kassierte eine weitere Milliardenbusse von der EU für den Missbrauch der Marktstellung von Android und letzte Woche büsste die Netflix Aktie nach der Publikation enttäuschender Quartalszahlen 14% an Wert ein. Facebook schliesslich scheint doch noch vom Datenskandal eingeholt zu werden, wie die Nachricht von rückläufigem Nutzerengagement zeigt. Nichtsdestotrotz geht der Siegeszug der Handvoll Techgiganten an der Börse weiter: der FANG+ Index hat in diesem Jahr mittlerweile 30% zugelegt. Dass die Popularität des Sektors ungebremst scheint, zeigen die  Zuflüsse in die globalen Technologiefonds. Sie erreichten im Jahresverlauf bisher 20 Mrd. USD, mehr als im ganzen 2017. Der verzerrende Einfluss der Monsterfirmen zeigt sich nicht nur an ihren Marktanteilen in den jeweiligen Branchen, sondern auch am Aktienmarkt. Diese eindrückliche Grafik zeigt den Wert der fünf grössten Firmen im S&P 500 Index: USD 4.095 Billionen, was dem gesamten Wert der 282 "kleinsten" Firmen im Index entspricht.

Kurios - Gemäss den meisten Statistiken boomt die amerikanische Wirtschaft. Die Arbeitslosenrate ist unter 4% gefallen, die Börsen notieren auf Höchstständen und die wirtschaftliche Expansion ist die Zweitlängste je gemessene. Quantitativen Messgrössen zum Trotz sieht es unter der Oberfläche keineswegs rosig aus. Eines der Probleme: stagnierende Löhne im Umfeld anziehender Inflation. Für viele Menschen mit tiefem Einkommen (ein Viertel der Amerikaner verdient weniger als USD 12.25 pro Stunde, ca. USD 2'200 pro Monat) ist das ein riesiges Problem, wie Reuters berichtet und gleichzeitig ein grosses Risiko für die künftige Wirtschaftsentwicklung. Dass die USA ein tief gespaltenes Land (wirtschaftlich und politisch) sind, zeigt andererseits der irre Blick in das Leben eines Millennials in New York: "A Week In New York City On $25/Hour"

 

E-Sports - Kennen Sie Twitch, Huya oder Douya? Falls die Antwort Nein lautet, ist dieser Artikel zum Boom im E-Sports Bereich lesenswert. Ob der chinesische Hype auch bei uns durchschlägt, ist abzuwarten. Auf alle Fälle wetten die Investoren auf eine goldene Zukunft, wie das Beispiel Huya zeigt. Das Unternehmen kam im Mai zu USD 12 an den Markt und notiert heute bei USD 35 (Marketcap USD 7 Mrd). Die Nase richtig im Wind hatte Amazons Jeff Bezos im Jahr 2014, als er den Streaming Dienst Twitch für 1 Milliarde USD kaufte. Auch in der Schweiz regt sich die E-Sports Szene. Einige Fussballclubs haben eigene E-Teams aufgebaut und neuerdings mischt sogar PostFinance in diesem Bereich mit. Ob das allerdings der richtige Fokus ist, um den Staatsbetrieb aus der Problemzone zu holen, darf bezweifelt werden.

Ryanair - Mitten in der Hochsaison gibt es wieder einmal Ärger mit Ryanair. Europaweit streicht die Fluggesellschaft diese Woche Hunderte von Flügen, nachdem frustrierte Flugbegleiter und Piloten in den Streik getreten sind. Das Leben als Ryanair Mitarbeiter ist unangenehm, und man neigt bei diesem Zitat zu Verständnis: "...wenn ihr für 20 EUR in den Urlaub fliegt, hat das seinen Preis. Und den bezahlt bei Ryanair vor allem das Personal.." Die Aktionäre der Billigairlines sind in den letzten zehn Jahren mit den knochenharten Geschäftspraktiken von Ryanair & Co.  gut gefahren , aber es scheint, dass mittlerweile eine Grenze erreicht wurde.

Wir haben das Thema "Sustainability" und "ESG Rankings" angesprochen und wahrscheinlich käme kein Mensch auf die Idee, dass eine Fluggesellschaft und erst recht nicht Ryanair oder Easyjet als "nachhaltig" qualifiziert. Aber weit gefehlt: Easyjet z.B. schafft es in einem globalen Ranking der Top 200 Firmen zur "Gender Equality" auf Rang 46.

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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