Bitcoin - Sommerhype in Kryptoland

 

Die Sommerflaute legt sich über die Finanzmärkte und obwohl genug Zunder für Bewegung vorhanden wäre, (Stichworte: UK Wahlen, Trump Theater, Fed Zinserhöhung, Katarembargo), sind die Tage und Wochen von geringster Volatilität und richtungslosem Handel geprägt.

 

So trifft es sich gut, dass in einer obskuren Ecke der Finanzwelt, nämlich im Bereich der Kryptowährungen, so richtig die Post abgeht. Bitcoin startete das Jahr 2017 mit einem Kurs von USD 950 und erreichte zwischenzeitlich einen Höchstkurs von USD 3'000. Der Handel ist fiebrig, zunehmend volatil und unübersichtlich. Ein Beispiel: Anfang letzter Woche musste Bitcoin einen Kursrückschlag von 14 % hinnehmen, weil der führende digitale Handelsplatz Coinbase einen technischen Absturz erlebte.

 

 

 

 

Im Allgemeinen wird der Handel in Bitcoin aus Asien dominiert. Im vergangenen Jahr zeichneten die Chinesen zeitweilig für bis zu 80% des gesamten Handelsvolumens verantwortlich. Dieser "Marktanteil" brach Anfang dieses Jahres auf 10 % ein, nachdem die chinesischen Behörden den inländischen Handelsplätzen untersagten, für ihre Anleger Bitcoins zu transferieren. Diese regulatorische Einschränkung wurde Ende Mai wieder aufgehoben und bereits erreicht der Handel in China wieder 30% des globalen Volumens. Japan, ein weiteres Land mit grosser Bitcoin Nachfrage, wickelte im Mai rund die Hälfte aller weltweiten Transaktionen ab.

 

Bei der Frage, warum ausgerechnet die Asiaten eine Affinität für digitale Währungen zeigen, bieten sich spontan zwei Gründe an, die eben auch als Vorteile für Kryptowährungen gelten. Im Falle Chinas suchen die Anleger nach Möglichkeiten der Staatswillkür zu entkommen und auf anonyme Art und Weise ihr Geld ins Ausland zu schaffen, gekoppelt mit einer ausgeprägten Zocker Mentalität, während in Japan eine Diversifikation aus der Heimwährung ein Grund sein könnte. Immerhin betreibt die japanische Zentralbank seit Jahren eine eratische Geldpolitik, so dass sich manch ein Bürger berechtigterweise Gedanken über die Zukunft des Yen machen wird.

 

Insgesamt ergibt sich jedoch ein Bild, das auf spekulative Handlungsmuster der Marktteilnehmer in einem völlig unübersichtlichen und unberechenbaren Markt hindeutet. Wie und wo man Bitcoins seriös kaufen, verkaufen und aufbewahren kann, ist absolut unklar. Wer sich ein Bild über die verschiedenen Handelsplätze machen will und den Aufwand nicht scheut, findet unter Bitcoinnews einen Überblick zu mehr als 20 verschiedenen Märkten.

 

Passend zum aktuellen Hype um Kryptowährungen erfolgt die geplante Lancierung des ersten diversifizierten Kryptowährungsfonds Europas  Crypto Fund (NZZ v. 14.6.2017). Der Start im 4. Quartal lässt hoffen, dass sich die Fieberkurve bis dahin wieder gesenkt hat.

 

Sie ahnen es, der OPPORTUNIST ist kein grosser Anhänger von digitalen Währungen in ihrer heutigen Form. Die Vorzüge einer staatenlosen, nicht manipulierbaren Währung sind erklärbar, die Voraussetzungen für einen vernünftigen Einsatz sind zur Zeit jedoch nicht gegeben. Allein die unberechenbaren Kursbewegungen und komplette Intransparenz der Akteure disqualifiziert Kryptowährungen als eigentliche Währungen. Der OPPORTUNIST wartet demnach ab, bis ein grosser Einbruch den Bitcoin in die Tiefe reisst, der Hype sich legt und die eine oder andere Kryptowährung als eigentlicher Gewinner aus dem Rennen um die Marktführerschaft hervorgeht. Dann ist auch der Zeitpunkt gekommen zu prüfen, ob sich Anlagevehikel wie der Crypto Fund für Investoren eignen.

 

Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, rückständig und innovationsfeindlich zu wirken, hat der OPPORTUNIST eine führende Persönlichkeit der Schweizer Fintech Szene konsultiert und sie gebeten, einige Gründe zu nennen, warum die Zukunft den Kryptowährungen gehört und welche Rolle die Schweiz hier spielen könnte:

 

Rino Borini:

 

Lieber Opportunist,

 

Vielen Dank, dass Du meinen Gedanken einen Platz gibst. Ich komme zuerst auf den Crypto Fund zu sprechen. Warum ist ein solches Vehikel passend für die heutige Zeitrechnung? Der Grundgedanke von Fonds ist, dass Anleger in eine Hülle investieren können, die professionell verwaltet, vom Regulator beaufsichtigt wird und diversifiziertes Investieren ermöglicht.

 

Würde also der Bitcoin massiv einbrechen, dann schmerzt das den Investor weniger, weil der geplante Fonds rund zehn Währungen abbilden wird. Das ganze Gefäss wird transparent sein und verfolgt einen passiven Ansatz. Dahinter steckt ein regelbasiertes Konzept, das der Investor jederzeit einsehen kann. Ein Anleger weiss bei diesem Fonds ganz genau, was er kauft und kennt die Regeln, wie und warum eine Position ausgetauscht wird (Bemerkung: Ich wünschte mir dies auch bei aktiven Fonds, die mehrheitlich keinen Mehrwert liefern). Ausserdem darf davon ausgegangen werden, dass die Kostenstruktur fair sein wird, wie meine Rückfrage beim Gründer ergeben hat.

 

Aber natürlich handelt es sich um ein Anlageinstrument, das nicht für jeden geeignet ist. Die Volatilität ist nicht zu unterschätzen. Doch das ist das Spiel: Rendite versus Risiko. Ein guter Vermögensverwalter kann dieses Spiel intelligent, angepasst auf die Risikofähigkeit des Kunden, anwenden. Als Depotbeimischung kann der Crypto Fund eine höchst spannende Sache sein, weil Korrelationseffekte möglicherweise dämpfend auf das Gesamtrisiko eines Portefeuilles wirken können. Noch fehlt dem Fondsvehikel die finale Zulassung. Ich höre aber Stimmen aus Bern, die positiv eingestellt sind. Und es ist wichtig, dass ein solches Thema aus der Schweiz kommt. Sind wir ehrlich: Die Schweizer Banken- und Vermögensverwalterlandschaft ist im Hintertreffen. Die Digitalisierung ändert die Spielregeln und die ehrwürdige Finanzindustrie arbeitet mehrheitlich noch auf Papier und lebt nach dem System CRM: Customer Relation Management. Die neuen Normen sind bereits ausgerollt und heissen: CMR - Customer Managed Relationship (Banken haben das noch nicht vollumfänglich verstanden). Wer mir diesen Paradigmenwechsel nicht glaubt, soll seine Kinder fragen.

 

Generell zu digitalen Währungen ein paar Bemerkungen: Ist unser alteingesessenes Finanzsystem noch gesund? Ich muss leider sagen: Nein. Unsere Notenbanken drucken unerhörte Geldmengen, die Nationalbank verlangt Negativzinsen und die globale Verschuldung ist enorm. Der Vorteil beispielsweise von Bitcoin ist die Begrenzung des Angebots. Damit bleibt die Geldwertstabilität sichergestellt. Ich bezweifle, dass wir mit der bisherigen Politik (steigende Verschuldung finanziert durch die Notenpresse) unendlich weiterfahren können. Nur mit einer Begrenzung kann man den Wert stabil halten. Geld selber schafft keinen Wohlstand. Darum sind die Kryptowährungen eine Antwort darauf. Welche überleben werden und ob jemals unser Geld ersetzt wird, weiss niemand. Aber es ist eine Chance unser System zu hinterfragen und uns grundlegende Gedanken zu machen: Wie geht es weiter? Unsere Nachkommen würden es zu schätzen wissen, wenn wir ihnen ein Finanzsystem basierend auf Nachhaltigkeit und Solidität hinterlassen. Das ist nur möglich, wenn man alternative Konzepte zulässt, unseren Skeptizismus ablegt und endlich damit beginnt statt «warum?», die Frage «warum nicht?» zu stellen.

 

Ich wünsche mir für den Finanzplatz Schweiz, der leider in den letzten Jahren an Relevanz verloren hat, dass dieser eine führende Rolle übernimmt. Wir haben mit Cryptofinance eine Möglichkeit. Übrigens: Alle die Kritiker der virtuellen Währungen sollen dann aber nie Projekte mit Blockchain starten, die Technologie dahinter, die riesiges Potenzial hat. 

 

Rino Borini ist Unternehmer, Verleger des Wirtschaftsmagazin PUNKT, Co-Gründer der Konferenz Finance 2.0 und Leiter des Sudiengangs Digital Finance an der HWZ Zürich.

 

Christoph Offenhäuser, Partner bei Weissenstein & Partner, kommentiert sporadisch unter der Rubrik der OPPORTUNIST seine Beobachtungen an den Finanzmärkten. Die geäusserten Meinungen sind die eigenen und müssen nicht dem Konsens bei Weissenstein & Partner entsprechen.

 

 

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