Brainfood 14.9.2018

Nio - Während die Tesla Fangemeinde über die Eskapaden von Elon Musk sinniert, wurde diese Woche mit Nio ein chinesischer E-Autobauer an der Börse kotiert. Wenn man den Branchenexperten Glauben schenkt, dann dominiert China über kurz oder lang den Markt für Elektroautos. Tatsächlich gibt es neben Nio weitere Unternehmen, die Vollgas, rsp. Vollstrom geben: BYD, Zhidou, Byton oder Kandi. Zurück zu Nio: wie die Handelszeitung berichtet, hegt das Unternehmen auch grosse Pläne für die Schweiz. Nio selber glaubt von sich, gute Karten in der Hand zu haben, mittelfristig Tesla das Wasser abzugraben. Wer das Rennen machen wird, ist noch unklar. Auch die Europäer bleiben am Ball, z.B. Mercedes. Das Unternehmen hat letzte Woche mit den EQC, ein vollelektrisches SUV präsentiert, das Mitte 2019 zu kaufen sein wird. 

Ein Wort zur Nio Aktie: der Start war eher holprig. Das Unternehmen investiert stark und hat einen negativen Cash Flow, mithin also ähnliche Eigenschaften wie Tesla. Für die Aktionäre bedeutet das: Vorsicht Kollisionsgefahr.

Dicke Luft - herrscht im und ums Weisse Haus. Ein neues Buch des legendären Bob Woodward und die gleichzeitige Publikation eines Insiderberichts in der New York Times (Zufälle gibt's) haben zu neuen Eruptionen rund um Trump's Präsidentschaft geführt.

Um den Überblick nicht zu verlieren, lohnt sich der distanzierte Blick auf die amerikanische Politik und dazu eignet sich eine Umfrageserie von Reuters hervorragend. Hier die wichtigsten Erkenntnisse:

 

  • 54% der Amerikaner finden, dass Trump einen  schlechten Job macht.
  • 55% der Amerikaner sind der Ansicht, dass das  Land auf Abwegen ist.
  • 50% haben eine positive Haltung gegenüber Trump's Immigrationspolitik.
  • Zwischenwahlen: was sind die  wichtigsten Themen ? Wirtschaft/Gesundheit/Immigration.
  • Zwischenwahlen:  welche Parteien werden gewählt?
  • Beurteilung der Wirtschaftslage: 43% positiv / 38% negativ
  • Handling der Russlandaffäre: 53% negativ / 36% positiv

 

Fazit: Die Meinungen sind gemacht. Allen Skandalen zum Trotz, bleiben ablehnende und zustimmende Haltungen stabil. Das Wichtigste für die Amerikaner ist die Wirtschaftslage und in diesem Bereich geniesst Trump eher Wohlwollen. Die Zwischenwahlen stehen am 6. November auf der Agenda. Es bleibt spannend.

 

Familienunternehmen - Eine umfassende Studie der Credit Suisse untersucht, weshalb Unternehmen mit dominierenden Familien- oder Gründungsaktionären an der Börse langfristig  deutlich besser abschneiden. Mehrere Faktoren sind gemäss den Analytikern für den Erfolg solcher Unternehmen verantwortlich, so z.B.

- Vermeidung allzu hoher Risiken, u.a. mit niedriger Verschuldungsquote

- Fokus auf Langfristigkeit: höhere Investitionsrate, die das Wachstumspotential erhöht

- Langfristige Finanzziele als Basis für die Management Vergütungen.

 

Der Erfolg von Familien-, rsp. Gründerunternehmer zeigt sich in höheren Margen, stärkerem Wachstum und letztendlich einer Bewertungsprämie gegenüber dem Gesamtmarkt. Wenig überraschend schneiden dabei kleine und mittlere Firmen   noch deutlich besser ab.

 

Die Studie wirft aber auch Fragen auf: - unter den  grössten 50 Firmen finden sich Megacap Unternehmen, die im eigentlichen Sinn nichts mehr mit "Family Owned" zu tun haben. Ein prominentes Beispiel aus der Schweiz ist Roche. Der Konzern hat zwar bestimmende Aktionäre aber niemand würde wohl behaupten, dass das Unternehmen nach anderen Prinzipien als z.B. Novartis geführt würde. - wie stark verzerren Überflieger wie Alphabet, Facebook, Alibaba oder Baidu die Statistik? Und ein wichtiger Punkt für den Anleger: wie kann ich in "Family-owned Businesses" investieren?

 

Tatsächlich gibt es eine Palette von Anlageprodukten, die sich dem Thema angenommen haben. Wir haben eine (keineswegs abschliessende)  Übersicht zusammengestellt. Wichtig ist wie immer: stimmen Kosten und Performance überein? handelt es sich um eine Mogelpackung? (Roche, Walmart und Heineken kann man auch kaufen, ohne auf ein Fondsprodukt zurückzugreifen). Für Auskünfte stehen wir gerne zur Verfügung.

 

September - Ein alljährliches Ritual der Finanzpresse ist das Zitieren von saisonalen Börsenweisheiten. Eine davon betrifft den Monat September, der statistisch als schlechtester Monat gilt. Während sich die einen um Argumente bemühen, warum die Regel in diesem Jahr nicht gilt, macht Goldman Sachs mit einem "bestechenden" Chart darauf aufmerksam, dass es an den Börsen langsam kritisch wird.

Wir wagen keine Prognose, dafür aber eine Feststellung: Wenn der Wind dreht, dann kann es schnell und unverhofft gehen, wie uns die Entwicklung der Schwellenländermärkte dieses Jahr zeigt.

Fintech - Ist der Hoffnungsträger für den Finanzplatz Schweiz. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Jungunternehmen, die sich in diesem Bereich tummeln. Dem breiteren Publikum sind viele dieser Firmen gänzlich unbekannt, denn die meisten bieten keine direkten Lösungen für Endkunden, sondern sind im B2B Geschäft tätig. Als gute Quelle um sich über den Stand der Dinge zu informieren, sei noch einmal der Fintech Blog der Finanz und Wirtschaft empfohlen. 

Was uns in den letzten Wochen aufgefallen ist: Mit Advanon war ein Fintech in einen grösseren Betrugsfall involviert. In der Szene wurden die Vorkomnisse mit Ausnahme von Insideparadeplatz eher unter den Teppich gekehrt. Aber so trivial ist es dann doch nicht. Wer Geschäfte mit Endkunden betreiben will, braucht vor allem eines: Vertrauen. Viele Investoren/Anleger zögern, wenn es darum geht, eine Geschäftsbeziehung mit einer unbekannten Firma aufzubauen. Wie dieser Fall zeigt, vielleicht nicht zu Unrecht.

Wieviel Hype hinter der Fintech Story steckt, bleibt schwierig zu beurteilen. Zweifellos fliesst reichlich Geld in die Branche, was offensichtlich dazu führt, dass sich viele Führungskräfte schöne Saläre gönnen, wie Finewsberichtet. Daran ist nichts auszusetzen, wenn die Jungfirmen erfolgreiche Geschäfte aufbauen, die zu einem lukrativen Börsengang führen. Aber auch auch an dieser Front hapert es. In der Schweiz hat es bisher kein Fintech geschafft und im Ausland sieht die Bilanz für die Investoren ernüchternd aus. 

 

Japan - ist ein rätselhaftes Land. Eckige Melonen und schwimmende Nudeln mögen belustigen, während Karoshi eine eher bedenkliche Variante von Arbeitswut ist. Wirtschaftlich gesehen ist das Land hingegen immer noch eine Macht. Nippon ist gemessen am Bruttosozialprodukt die Nummer 3 der Welt und es herrscht Vollbeschäftigung. Die Exporte im vergangenen Jahr: USD 700 Mrd., 100 Mrd. Dollar davon alleine mit Autos. 

Der Überschuss im Handel mit den USA erreichte im Jahr 2017 USD 68 Mrd. und in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bereits wieder USD 40 Mrd. Wen wundert es also, dass auch Japan den Unmut der Handelsstrategen im Weissen Haus auf sich zieht. Mit anderen Worten: Das Land der aufgehenden Sonne verfügt über eine hochkompetitive Wirtschaft.

 

Die Frage stellt sich allerdings, wie lange diese Kraft noch reicht, um die japanische Wirtschaft vor dem Untergang zu bewahren. Das Land steckt in einer demografischen Abwärtsspirale, die weltweit seinesgleichen sucht. Die Bevölkerung schrumpft bereits jetzt jährlich um 300'000 Menschen, bis im Jahr 2050 werden noch 102 Million Japaner die Inseln bevölkern gegenüber heute 127 Millionen. Die resultierenden Probleme sind offensichtlich:

- schrumpfender Binnenmarkt

- explodierende Gesundheitskosten

- sinkender Wohlstand 

- sinkende Produktivität

Zu allem Übel kommt, dass Japan bereits heute einen monumentalen Schuldenberg vor sich her schiebt, der weitgehend von der Zentralbank refinanziert wird. 

 

Mit welchen Rezepten will die Regierung von Shinzo Abe gegen diese demografische Zeitbombe vorgehen? Einerseits soll die  Geburtenrate angehoben werden, die tatsächlich leicht steigend ist. Andererseits wird ein flexibles Rentenalter bis gegen 70 Jahre angestrebt. Auch bei der  Zuwanderung  besteht Potential, was uns wiederum zu den japanischen Kuriositäten zurückbringt. Der Ausländeranteil beträgt knapp 2% und im Jahr 2017 akzeptierte das Land die beinahe unfassbar tiefe Zahl von 20(!) Flüchtlingen bei knapp 20'000 Asylgesuchen.

 

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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