Brainfood 1.2.2019
Übergewicht - Die Nahrungsmittelindustrie steht unter Beobachtung. In den Industriestaaten sind mittlerweile 20-30% der Menschen übergewichtig, je nach Land mit einigen Unterschieden. Die krasse Ausnahme ist Japan, wie diese Grafik zeigt.
Der Druck auf die Hersteller, gesündere Produkte anzubieten steigt stetig. In verschiedenen Ländern gibt es Sugar Taxes auf Süssgetränke, Chile und Mexiko sind die prominentesten Vertreter. In der Schweiz ist die Idee einer Zuckersteuer wenig populär, obwohl die Resultate eher dafür sprechen. Hier konnte sich die Branche mit freiwilligen Massnahmen vor einem Verbot retten.
Ein internationales Panel, ähnlich dem Klimagipfel, fordert nun ein koordiniertes globales Vorgehen gegen die Nahrungsmittelindustrie. Ob es soweit kommt, ist zu bezweifeln. Aber die Diskussion wird nicht verebben, nicht zuletzt aufgrund der explodierenden Gesundheitskosten. In Grossbritannien, einem der "dicksten" Länder in der westlichen Hemisphäre, werden die gesundheitsbedingten Kosten zur Bewältigung von Übergewicht auf jährlich 150 Milliarden Pfund geschätzt.
Was heisst das für die Aktien von "Big Food"? Die Vertreter der Branche gehören zu den defensiven Elementen ein jeder Anlagestrategie. Stetiges Wachstum, schöne Dividenden und in aller Regel wenig Volatilität machen die Titel attraktiv, weshalb Nestlé wohl in keinem Schweizer Aktienportefeuille fehlt. Die Anleger sollten sich allerdings nicht in falscher Sicherheit wiegen. Einige Hersteller mussten in jüngerer Vergangenheit schon kräftig Federn lassen , KraftHeinz und Kellogg sind zwei Beispiele. Die Anleger strafen vorerst Unternehmen ab, die Mühe bekunden, mit ihrer Produktpalette auf veränderte Konsumentenbedürfnisse zu reagieren und. Demgegenüber geniessen die "Zucker und Fett Sünder" Nestlé, Coca Cola oder McDonalds weiterhin viel Goodwill, wenn man die Bewertungen anschaut.
Für die Anleger heisst das folglich: vermeintlich defensive Werte in verdaulichen Portionen im Portefeuille gewichten, denn der Gegenwind wird eher zu- als abnehmen und Bewertungsprämien können sich schnell in Luft auflösen.
Diese Woche aus der Welt der Unternehmen:
- Der Liechtensteiner Baugerätehersteller Hilti ist im vergangenen Jahr kräftig gewachsen und hat einen neuen Rekordumsatz erzielt. Die Verkäufe nahmen um 10.7% auf CHF 5.66 Mrd. zu. Das privat gehaltene Unternehmen gehört zum Kreis jener "Family Owned Businesses", die über Jahrzehnte erfolgreich eine globale Präsenz aufbaut haben. Leider sind viele dieser Unternehmen nicht an den Börsen kotiert. Der normale Anleger kann somit nicht am Erfolg teilhaben. Besonders interessant bei Hilti: Im Jahr 2003 entschied sich die Familie zu einem Going Private und kaufte die ausstehenden PS zurück. Damals erwirtschaftete Hilti einen Umsatz von CHF 3 Mrd.
- AB InBev hat sich beinahe an der Übernahme von SABMiller verschluckt. Die Transaktion im Jahr 2015 über 110 Mrd. Dollar machte Anheuser Busch InBev zwar zum grössten Bierbrauer der Welt und über alle Kontinente bestens diversifiziert (in der Schweiz können wir beruhigt sein, Quöllfrisch bleibt in Familienbesitz), aber dies zu einem hohen Preis. Der Schuldenberg steht bei fast unglaublichen 107 Milliarden Dollar. Zur Unzeit sieht sich das Unternehmen seit einigen Quartalen mit einer hartnäckigen Wachstumsverlangsamung konfrontiert. Das Resultat: ein dezimierter Aktienkurs und die Notwendigkeit von Korrekturmassnahmen. Die Dividende wurde halbiert (Einsparung 4 Mrd. USD), im Dezember 15 Mrd. Dollar Schulden refinanziert und neuerdings gibt es Pläne, Teile das Asiengeschäfts an die Börse zu bringen. Dabei hat AB InBev noch weitere Trümpfe in der Hand, wie z.B. die höchsten Margen in der Branche und einen jährliche Free Cash Flow von über 10 Milliarden Dollar.
- Die Produkte von Colgate (u.a. Elmex) und Henkel sind fast in jedem Haushalt anzutreffen, die Aktien der beiden Unternehmen hoffentlich weniger häufig in den Portfolios der Anleger zu finden. Wo liegt das Problem? Die Resultate der beiden zeigen, dass die Umsätze kaum zu steigern sind, die Margen unter Druck stehen und ändernde Konsumentenpräferenzen die Riesen der Branche herausfordern. Ob die Rezepte genügen, um die Aktien zu revitalisieren, bleibt offen.
- Die Kantonalbanken aus Zug, Schwyz und Luzern haben den Reigen der Berichterstattung der Staatsinstitute eröffnet. Nach eigener Einschätzung herrscht allseits Zufriedenheit: "Die Zuger KB blickt auf ein sehr gutes Geschäftsjahr 2018 zurück. Der Gewinn ist um 9.8% auf 74.7 Mio Franken gestiegen." Bei der Schwyzer Kantonalbank tönt es so: "Die Kerngeschäftssparten zeigten sich in guter Verfassung. Die Kundenausleihungen und das Kundenvermögen setzten ihren beeindruckenden Wachstumspfad fort." Der Gewinn erreichte 76.6 Mio. Franken, -4.6% gegenüber Vorjahr. Die LUKB schliesslich "blickt auf ein sehr erfolgreiches 2018 zurück". Sie erwirtschaftete einen Gewinn von 200 Mio Franken (+1%). Aus der Distanz betrachtet sieht das so aus: Bei allen Banken hat die Qualität der Bilanz in den letzten zehn Jahren deutlich abgenommen: zusammen haben die drei Kantonalbanken ihr Hypothekarvolumen um 70%, rsp. 21 Mrd. Franken ausgeweitet. Das kumulierte Eigenkapital ist um 2 Mrd. Franken gestiegen. Unter dem Strich hat diese Geschäftsausweitung aber nichts gebracht: der Zinserfolg ist von 636 Mio auf 656 Mio Franken gestiegen. Das Tiefzinsumfeld lastet immer schwerer auf den Banken. Ist das ein Grund zur Sorge? Die Antwort ist nein, wenn man den soliden Ratings von Standard & Poor's (LUKB AA / SZKB AA+) und der robusten Verfassung des innerschweizer Immobilienmarktes Vertrauen schenkt. Hingegen sollten verklausulierte Einschätzungen wie jene der SNB : "...die Kapitalsituation der inlandorientierten Banken ist weitgehend unverändert und für die meisten Banken weiterhin angemessen..." nachdenklich stimmen.
Update aus der Fintech Welt - Während die traditionellen Banken nicht vom Fleck kommen, haben die Fintech Startups mächtig Rückenwind. Im ersten Halbjahr 2018 flossen weltweit 57.9 Mrd. USD in den Sektor, davon erfreulicherweise fast die Hälfte in Europa.
Für Spektakel sorgen Firmen wie Adyen oder Wirecard. Letzteres 1999 gegründete Unternehmen bietet Lösungen für mobile Bezahldienste an. Die Euphorie der Anleger und des Unternehmens selber kennen keine Grenzen. Das Management strebt bis 2025 einen Umsatz von 10 Mrd. EUR an (2018 ca. 1.5 Mrd.). Kein Wunder also, dass Wirecard die halbstaatliche Comerzbank aus dem DAX verdrängt. Kritische Beobachtungen werden ignoriert, die Abrechnung folgt später.
So stellt sich die Frage, ob es für Anleger Sinn macht, in die neuen Player der Finanzbranche zu investieren. Wir haben eine (nicht vollständige) Liste des Fintech Universums erstellt. Chancen und Risiken sind offenkundig: die grossen Gewinner sind etablierte, teilweise namhafte Unternehmen mit breiten Geschäftsfeldern. Auffällig ist, dass P2P Lending Firmen schwach abschneiden. Auch vor chinesischen Fintechs nimmt sich der Anleger besser in acht. Technologien rund um Bezahldienste scheinen lukrativ zu sein, wie Paypal, Wirecard oder Adyen zeigen. Auch das höchstbewertete Fintech Startup Stripe ist in diesem Bereich tätig und sitzt in den Startlöchern für ein IPO.
Wer Interesse hat, in diesem dynamischen und wachstumsträchtigen Bereich zu investieren, dem geben wir diesen Ratschlag mit auf den Weg: Hände weg von Direktanlagen und allenfalls ein thematisches Anlageprodukt wie den Fin Tech ETF von Global X oder den KBW Nasdaq Fintech ETF von Invesco näher unter die Lupe nehmen.
Alexis Tispras - Wie sich die Zeiten ändern. Vier Jahre ist es her, seit Tsipras mit seiner Linkspartei Syriza an die Macht kam. Damals herrschte Unruhe in Europa, weil der "charmante Brandstifter" (Spiegel) drohte, sich dem Spardiktat von IWF und EU zu verweigern. Tempi passati, Tsipras gilt heute als "Garant für Pragmatismus und Mässigung und bleibt auch in Zukunft ein wichtiger innen- und aussenpolitischer Machtfaktor" (NZZ).
Zweifellos ist er ein geschickter Taktierer, wie gerade die Beilegung des heiklen Namensstreits mit Mazedonien zeigt. Aber wie läuft es wirtschaftlich für das Land unter der Führung der Linkspopulisten?
Mit der letzten Kredittranche über 15 Mrd. EUR endete Mitte 2018 das 3. Hilfsprogramm und Griechenland ist wieder alleine unterwegs. Was nach einem Erfolg aussieht, stimmt auf den zweiten Blick mehr als nur nachdenklich. Trotz Lichtblicken (Tourismus Boom, sinkende Arbeitslosenraten und zuletzt hohe Primärüberschüsse im Staatshaushalt) ist Griechenland abgehängt. Das Bruttosozialprodukt ist noch immer 20% tiefer als 2008, die Staatsverschuldung so hoch, dass es etwa 25 Jahre dauert, bis die Maastricht Kriterien eingehalten werden. Ob das im Lichte einer schrumpfenden Bevölkerung machbar ist, glauben nur kühne Optimisten.
Um auf Tsipras zurückzukommen: Ein Blick auf die griechischen Finanzmärkte zeichnet ein durchzogenes Bild der Syriza Regierung. Einerseits sind die Renditen der Staatsanleihen in Tsipras Amtszeit deutlich gefallen. Die Furcht vor einem Zahlungsausfall des Landes ist von der Tagesaktualität verschwunden. Der Aktienmarkt hingegen zeigt keine Anzeichen einer Erholung, was der Bankenkrise und dem schwachen Allgemeinzustand der Wirtschaft entspricht.
Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.
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