Wissen als Bonus

 

 

 

Wir werden bei unserer langfristigen Berufslaufbahn in der Vermögensverwaltung durch die Digitalisierung auf die Probe gestellt. Digitale Prozesse erlauben es Banken und Vermögensverwaltern, Abläufe zu vereinfachen und Dienstleistungen kundenzentrierter zu verkaufen. Unsere Kunden übernehmen dabei – mehr oder weniger freiwillig – Aufgaben, die früher dem Finanzdienstleister vorbehalten waren. So erfassen diese eigenständig Zahlungsanweisungen, Aufträge für Wertschriften-Transaktionen usw. In Zukunft leisten sogar Chat-Bots kommunikative Aufgaben, die einst Domäne teurer Berater waren. Dafür wird die Kundschaft im besten Fall mit niedrigeren Gebühren belastet und verfügt jederzeit über Konto-Informationen in Echtzeit.

 

Wir in der Finanzbranche wissen, die Geschwindigkeit der Digitalisierung in der Vermögensverwaltung- und beratung wird schneller voranschreiten, als wir es heute für möglich halten. Dieser Trend wirkt sich aber nicht nur auf die Kosten-Optimierungsziele des Managements aus, sondern auch auf die heutigen Ausbildungsangebote der Universitäten und Fachhochschulen.

 

"Weiterbildungen im eigentlichen Handwerk sind

wichtiger als sich allein auf digitale Prozesse zu fokussieren."

 

Statistiken zeigen, wo «digital» draufsteht, sind die CAS- und MAS-Studiengänge ausgebucht. Lehrgänge in Banking & Finance, die mit ihrem Wissenstransfer das eigentliche Rückgrat und Handwerk der Industrie stellen, verlieren dagegen.

 

Warum das Erlernen und Beherrschen des eigentlichen Handwerks weniger attraktiv sind, ist schwierig nachvollziehbar. Gerade in der Vermögensverwaltung wäre dies angesichts zunehmender Komplexität und steigender Anforderungen an das formelle Know-how durch neue Regulierungen (wie dem Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG) anzustreben.

 

 

 

 

Wir werden von Daten überrollt - können sie aber nicht nutzen

 

Die Flut an Informationen führt heute zu Datenmengen, die kaum mehr zu bewältigen sind. Auch die Personalisierung durch künstliche Intelligenz bringt nur punktuell Linderung. Online verfügbare Daten verdoppeln sich alle zwölf Monate. Die neusten Voraussagen gehen gar von einer Verdoppelung innerhalb von 24 Stunden aus. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Durchschnittlich werden bis zu zweieinhalb Stunden pro Tag für die Suche im Internet verbracht und Menschen unterbrechen im Fünf-Minuten-Takt ihre Arbeit, indem sie digitale Kanäle nutzen.

 

Content Marketing ersetzt weder Lernprozesse noch Studium

 

Menschen suchen im Arbeitsalltag vor allem Wissen, welches in anwendbarer Form vermittelt werden müsste. Suchmaschinen gewichten jedoch nach Algorithmen sowie Filterblasen und nicht nach modernen Lernmethoden. Formate und Quellen bieten kaum zusammenhängende Erkenntnisse oder gar Anwendbarkeit anhand von Fallbeispielen.

Was ankommt, sind informative und edukative Inhalte, die zum Nachdenken anregen. Dafür braucht es in Marketing-Abteilungen nebst digitalem «Savoir-Faire» eine Publikationsfrequenz, welche oftmals mehrere Vollstellen voraussetzt. Wissen wird von Anbietern zu Marketingzwecken geteilt und kaum für hochstehende Bildungsziele der Branche.

 

Mit Handwerk und Grips zum Kunden-Mehrwert

 

Bei der Beratung bleiben handwerkliches Können und Grips gefragt. Echter Mehrwert bedeutet für Kunden effektiv anwendbare, kostengünstige Dienstleistungen. Nachhaltige, mit nachvollziehbarem Risiko erwirtschaftete Performance sowie neue Anlageideen (Content) werden weiterhin finanziell und mit Kunden-Loyalität honoriert. Und dies trotz zunehmender digitalisierter Dienstleistungen am Markt.

 

Fachwissen und ein entsprechender Nachweis dafür sind somit keine Kür, sondern ganz einfach Pflicht. Wir sind überzeugt, dass in den Standesregeln der Finanzindustrie für Vermögensverwalter und -berater über kurz oder lang ein anerkannter Abschluss (AZEK, CFA) gefordert wird, genauso wie der Abschluss als Wirtschaftsprüfer zwingend für ein Testat einer Revisionsgesellschaft vorausgesetzt wird. 

 

Die pragmatische Lösung - Wissen statt Boni

 

Ausbildung kostet Geld und zu viele Firmen in der Finanzindustrie sparen lieber, statt freiwillig (ohne regulatorischen Zwang) in die Zukunft ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Eine einfache, griffige Lösung dazu bieten Boni, die ganz oder teilweise in Form von Ausbildungslehrgängen vergeben werden. Mehrere Fliegen könnten so mit einer Klappe geschlagen werden:

 

Absolventen lernen Neues und verfügen über einen anerkannten, berufsgerechten Abschluss, der bestätigt, dass sie ihr eigentliches Handwerk beherrschen. Der Arbeitgeber erhöht die interne und externe Fachkompetenz, Mitarbeitende und Firma bleiben wettbewerbsfähig. Die Kunden profitieren von kompetenten Ansprechpartnern.

 

Parallel dazu wird das Know-how im Bereich Asset Management in der Schweiz gestärkt. Und unser Standort bewahrt seinen guten Ruf durch tatsächliche Leistung, die von der Digitalisierung gestützt wird.

 

Marcus H. Bühler, CFA

Verwaltungsrat, Weissenstein & Partner und Beirat, Banking & Finance der HWZ Zürich

 

 

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