Brainfood 4.10.2019

Europäische Banken - sind in schlechter Verfassung und verschiedene Institute finden immer wieder neue Möglichkeiten, sich selber zu schaden. Wir beziehen uns bei dieser Aussage nicht auf das All-Star Team der Credit Suisse. Viel bedenklicher ist, was sich neulich in den Niederlanden zugetragen hat. 

Nachdem eine Reihe nordischer Banken bereits im Sumpf verschiedener Geldwäscherei-Skandale stecken, hat es jetzt auch noch die ABN Amro erwischt (der Konkurrent ING wurde bereits letztes mit EUR 775 Mio. für Verfehlungen gebüsst). Die holländische Grossbank ist in eine strafrechtliche Untersuchung für jahrelange Verfehlungen bei Feststellung und Reporting von geldwäschereirelevanten Kundentransaktionen geraten. Peinlich für die Holländer ist dieser Vorgang speziell deshalb, weil die Bank zu 50% im Besitz des Staates ist. 

Es ist offensichtlich, dass die europäische Bankenaufsicht keine Gewähr dafür bietet, dass international geforderte Anti-Geldwäscherei-Standards im EU-Raum eingehalten werden. Umso bedauerlicher ist es, dass sich die Schweiz mit dem hier herrschenden Regime nicht besser positionieren kann, wozu insbesondere auch starke und gut geführte Grossbanken erforderlich wären.

 

China Aktien - Mit einem neuen Winkelzug im Rahmen das Handelskrieges spielt die Trump Administration mit dem Gedanken, chinesischen Unternehmen den Zugang zum US Kapitalmarkt zu verwehren. Ob in naher Zukunft China-Aktien an den amerikanischen Börsen dekotiert werden, ist fraglich. Aber kein Zweifel besteht, dass die Schrauben angezogen werden. Strukturen, Finanzierung und Besitzverhältnisse vieler dieser Firmen sind völlig unklar. Merkwürdigerweise haben die USA und China im Jahr 2013 vereinbart, dass chinesische Gesellschaften ihre Geschäftszahlen nicht von anerkannten Prüfgesellschaften zu testieren haben. Ebenfalls dürfen die Chinesen die Regeln des Dodd Frank Acts zum Schutz der Konsumenten ignorieren.

Bisher haben die Anleger locker über die Risiken hinweggesehen. Ein Grund mag sein, dass der Mythos vom schnellen und grossen Gewinn mit chinesischen Unternehmen durch eine Handvoll Erfolgsgeschichten die Wahrnehmung trübt.

Wie die Realität jedoch häufig aussieht, zeigt der spektakuläre Niedergang des erst vor einem Jahr an der Technologiebörse Nasdaq kotierten E-Autobauers NIO. Wir haben den Börsengang damals mit "Kollisionsgefahr" kommentiert. Zwischenzeitlich ist die Aktie um 75% eingebrochen. Bei NIO laufen die Probleme aus dem Ruder, 2'000 der 10'000 Mitarbeiter verlieren den Job und mit einer Notfinanzierung über USD 200 Mio. versuchen die Hauptaktionäre, u.a. Tencent das Unternehmen über Wasser zu halten. Es scheint, dass auch in diesem Fall grosse Ambitionen zu einem grossen Scherbenhaufen führen. Lesenswert dazu der Bloomberg Artikel "NIO is more China's WeWork than its Tesla Killer".

 

Initial Public Offerings  - Zum Kreis der Anlage-Mythen gehört der Begriff "IPO". Ältere Börsenhasen erinnern sich an die goldenen Zeiten der IPOs während des Bullmarktes um die Jahrtausendwende. Damals herrschte hektisches Treiben, wenn wieder ein Jungunternehmen aus dem Tech-Sektor mittels IPO an die Börse gelangte. Kursgewinne, zumindest kurzfristig, waren garantiert. 

Schon damals ging die Übungsanlage gelegentlich daneben, legendär ist z.B. aus Schweizer Sicht der Fall Think Tools, der ein Paradebeispiel dafür ist, welche Misstände die Goldgräberstimmung förderte.

Der Mythos basiert jedoch auf Erfolgsgeschichten wie Amazon, Google, Facebook, Alibaba oder Netflix. Kein Wunder, dass die Anleger auf der Suche nach dem nächsten Hit unbedingt mit dabei sein wollen.

Grosses Interesse am Geschäft mit Neukotierungen haben die Emissionsbanken. Es gibt viel Geld zu verdienen, auch wenn neuerdings verschiedene Firmen wie z.B. Spotify versuchen, mit einem sogenannten Direct Listing  den traditionellen IPO Prozess und damit die Banken zu umgehen. UBER wurde in diesem Jahr mit einem traditionellen IPO an die Börse gebracht. Die 29 Syndikatsbanken kassierten dafür USD 106 Mio. Slack wiederum wählte ein Direct Listing mit Kosten von USD 22 Mio.

Für die Anleger muss das nichts bedeuten. Beide Varianten, UBER (-30%) und Slack (-10%) sind bis dato keine guten Investitionen. 

Anleger sollten also genau hinschauen, bevor sie bei Neukotierungen zugreifen. Und bei Ratgebern von Banken, die IPOs als Win-Win-Situation darstellen, gilt es zu bedenken, wer mit Sicherheit immer auf der Gewinnerseite steht.

Diese Woche gab die Firma  Softwareone ihre Börsenpläne bekannt. Hier findet sich eine Aufstellung der IPOs an der Schweizer Börse der vergangenen Jahre.

 

Monströs  - ist sicher die passende Beschreibung für den geplanten Börsengang des staatlichen saudischen Ölkolosses  Saudi Aramco. Die Araber möchten gern 1% des Unternehmens für USD 20 Mrd. an den Markt bringen, das würde einer Kapitalisierung von 2 Billionen USD entsprechen. Diese Erwartungen werden wohl nicht zu erfüllen sein, denn die Vorbehalte der Investoren sind vielfältig. Gerechnet wird also mit einer Bewertung von rund 1.5 Billionen - zum Vergleich: alle Schweizer Blue Chips im Swiss Market Index bringen knapp 1.3 Billionen auf die Waage.

Um die mögliche Kapitalisierung von Aramco in die Höhe zu bringen, hat die Regierung ein Massnahmenpaket lanciert. Neben einer Reduktion der Lizenzgebühren auf 15% pro Fass Öl bei Preisen bis USD 70 (statt 20%) und einem reduzierten Unternehmenssteuersatz, soll es vorallem die avisierte Dividende von USD 75 Mrd. richten. Damit würde die Aktie knapp 5% rentieren (bei 1.5 Billionen), was im Vergleich mit der Branche keineswegs ein Renner ist: Total 5.5% / BP 6.5% / Royal Dutch 6.2% / Exxon 4.9% oder Gazprom 7.3%. 

Zwei wesentliche Gründe für eine gedrückte Bewertung bleiben an Saudi Aramco haften: einerseits sind die operativen Risiken für das Unternehmen nach den Luftangriffen offenkundig. Andererseits müssen sich institutionelle Investoren unter dem Druck  der ESG Nachhaltigkeitskriterien fragen, ob ein Investment in dieses Unternehmen akzeptabel ist. Die Antwort darauf ist eigentlich klar. .

 

Aufgefallen  - ist uns bei einem touristischen Abstecher nach Israel die wirtschaftliche Dynamik im Land. Der Boom in der Start-up Szene ist allgemein bekannt. Verkehrschaos,  Dutzende von Hochhäusern im Rohbau oder die vor kurzem eröffnete Schnellbahn zwischen Tel Aviv und Jerusalem deuten auf zügiges Wirtschaftswachstum hin. Der Eindruck täuscht nicht: Das Land blickt auf ein wachstumsstarkes Jahrzehnt zurück. Die Inflation ist tief, die Zuwachsraten der Wirtschaft liegen im Bereich von 3% p.a. und die früher notorisch hohe Staatsverschuldung ist seit dem Jahr 2000 von 103% (Debt/GDP Ratio) auf 60% gefallen, mithin würde das Land die Maastricht Kriterien locker einhalten. Dies im Vergleich zu verschiedenen europäischen Ländern, die in der gleichen Zeit den gegenteiligen Weg eingeschlagen haben.

Die positive Interpretation dieser Ausgangslage legt die Frage nahe, ob Israel allenfalls ein Investment wert ist. Die Antwort fällt aus der Sicht des Schweizer Anlegers einfach aus: Nein . Der Aktienmarkt hat zwar zugelegt, kann aber nicht mit Schweizer Dividendenwerten mithalten. 

Ein kritischer Punkt, der häufig an kleineren Märkten zu beobachten ist, liegt im Branchen-Mix des Marktes. In Israel z.B. ist der Finanzsektor mit 30% gewichtet, was weniger in die heutige Zeit passt. Kommt hinzu, dass die Banken des Landes nicht gerade zu den Branchenführern gehören.

 

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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