Brainfood 22.2.2019

Boomzeit für Aktienrückkäufe - Auch viele Schweizer Konzerne befinden sich auf der "Strasse der Stock Buybacks". Aber das populäre Instrument ist nicht unumstritten. Erstens ist die Wirkung zweifelhaft und neuerdings regt sich vorab in den USA politischer Widerstand gegen überbordendes Financial Engineering.

Wer über die Problematik und Funktionsweise von Aktienrückkäufen mehr wissen will, dem empfehlen wir das informative Kurzvideo des Finanzblogs Fintool

 

Exchange Traded Funds - ungebremstes Wachstum, aber wie lange noch? 

 

Die jüngsten Daten der Schweizer Börse lassen auf den ersten Blick den Schluss zu, dass kein Ende des ETF Booms in Sicht ist: Ende 2018 waren an der SIX 1'450 ETFs von 25 Anbietern gelistet, ein Plus von 23% oder 274 Produkten gegenüber dem Vorjahr. Hingegen nahm der Umsatz um markante 13 % auf 100.5 Mrd. Franken ab, dies bei leicht wachsender Anzahl Abschlüsse.

 

Quantität vor Qualität?

Ein vielfältiges Angebot ist begrüssenswert, aber das quantitative Wachstum muss nicht heissen, dass für die Anleger Zusatznutzen geschaffen wird. So handeln beispielsweise 28 verschiedene ETF auf den japanischen Aktienmarkt, dies notabene ein Anlagesegment, das höchstens marginale Bedeutung in den Portfolios der Anleger hat. 

 

Kampf um Anlegergunst

Wer ein bisschen tiefer gräbt, der stellt fest: der Wettbewerb um die Anlegergunst ist knallhart und selbst die grossen Anbieter können sich nicht sicher sein, dass ihre Anlageprodukte überleben. Wie ein Bericht von Bloomberg zeigt, beträgt die durchschnittliche "Lebenserwartung" eines ETF lediglich 3.4 Jahre. In den USA wurden in den letzten fünf Jahren 1'050 ETF lanciert und gleichzeitig 900 wieder geschlossen. Mit welchen Marketing Tricks für teilweise bizarre Investment Ideen wie den ETF MAGA gekämpft wird, ist hier zu lesen.

 

Auswüchse der "Produktinnovation"

Esoterische Anlagekonzepte mit voraussichtlich kurzer Lebensdauer gibt es auch an der Schweizer Börse zu kaufen. Ein Beispiel wäre der Lyxor Scientific Beta Developed Long/Short UCITS ETF EUR . Nach Angaben des Anbieters wird ein Index repliziert, der eine "absolute Wertentwicklung mit geringer Volatilität und einer niedrigen Korrelation zum breiten Spektrum des Aktienmarktes bietet. Die Wertentwicklung wird durch eine Long-Exposure über sechs Faktoren (Grösse, Value, Momentum, niedrige Volatilität, Profitabilität und Investment) und eine Short-Exposure auf einen breiten marktkapitalisierungsgewichteten Referenzindex und eine Minimierung des Gesamt-Beta des Aktienmarktes ermöglicht." 

 

Erkenntnisse für den Privatanleger

  • Information tut not, denn ETFs sind nicht ein Allheilmittel für die Kapitalanlage. Nützliches Wissen bietet z.B. die Plattform 10x10. Einen schnellen Überblick zu den verschiedenen Wahlmöglichkeiten erhält man bei justETF, hier anhand eines Leitfadens für den amerikanischen Aktienmarkt.
  • Allgemein: den Blick nicht nur auf die Produktkosten richten. Andere Faktoren wie Fondsgrösse, Handelsvolumen, Differenz zwischen Kauf/Verkaufspreisen, Einsatz von Derivaten etc. sind ebenfalls wichtig.
  • Vorsicht bei unverständlichen Anlagestrategien, oder hippen Anlagethemen, welche die Banken gern bewerben. Diese können schnell wieder liquidiert werden, was Transaktionskosten auslöst.
  • Diversifikation nicht vergessen! Wer in einen ETF auf den SMI Index investiert, kauft 53% Nestlé, Roche und Novartis. Wenn der gleiche Investor zusätzlich in nachhaltigen Schweizer Unternehmen anlegen möchte und sich einen Fonds wie den Ethos Swiss Sustainable Equities kauft, erwirbt er exakt noch einmal das Gleiche.
  • Im Zweifelsfall bei Fragen den Vermögensverwalter des Vertrauens konsultieren.

 

Das gelbe Metall  - hat eine treue Fangemeinde, von der man in der Regel nur dann hört, wenn der Preis steigt. Auch uns fällt auf, dass der Trend in den letzten Wochen nach oben zeigt. Was hat die Preisbewegung ausgelöst? Der wichtigste Grund scheint uns, dass die amerikanische Notenbank eine Kehrtwende in der Geldpolitik avisiert. Die Verkürzung der Bilanz und die weitere Normalisierung der Zinsen sind, wenn nicht abgeschlossen, so doch auf die lange Bank geschoben. In Europa kommt hinzu, dass schwache Konjunktursignale, der anstehende Brexit und die nahende Pensionierung von Draghi kein Ende der Negativzinsen in diesem Jahr erwarten lassen. Negative Realzinsen sind ein gedeihliches Umfeld für eine ertragslose Anlage wie Gold.

 

Vielversprechend sehen die Goldminen aus. Der Sektor nimmt langsam Fahrt auf. Und zum Schluss noch zur "Fangemeinde": die Zentralbanken kauften im 3. Quartal für USD 5.8 Mrd. physisches Gold, angeführt von Russland, das sich aus dem USD diversifizieren will.

Société Générale - Die europäischen Banken sind zu weiten Teilen in einem traurigen Zustand. Wie es scheint, beheimatet jedes grössere Land eine eigene Problembank. In Frankreich geniesst dieses zweifelhafte Privileg die Société Générale. Dass etwas faul ist, zeigt der Aktienkurs . Er hat sich seit 2017 halbiert und ähnelt unangenehm der Deutschen Bank. 

Wo drückt bei SocGen der Schuh? Eigentlich drehen sich die Probleme immer um die gleichen Themen:

 

  • Auch bei den Franzosen gehören Strafzahlungen zur Tagesordnung. Zuletzt USD 1.3 Mrd. für Sanktionsverletzungen.
  • Probleme im Investment Banking: wie die europäische Konkurrenz hat Société Générale keinen Stich gegen die Amerikaner. Das abgelaufene Jahr ist so schlecht gelaufen, dass  500 Mio. EUR eingespart und Risiken abgebaut werden müssen.
  • Eher spezifisch für diese Bank ist der Wildwuchs in der internationalen Expansion. Mit Niederlassungen in Russland, Griechenland oder Aegypten war man immer dort zur Stelle, wo sich Probleme finden liessen. Zuletzt haben die Aufräumarbeiten zu einem Rückzug aus Polen geführt.
  • Magere Eigenkapitalbasis, die tiefer liegt als jene der solideren Konkurrenten.

 

Kritiker wie der amerikanische Investment Guru Jeffrey Gundlach fordern den Kopf des Chefs. Gut möglich, dass nach 11 Jahren im Amt die Zeit von Frédéric Oudéa abgelaufen ist. Spannender aber ist die Frage, ob irgendwann die Zeit kommt, wieder in den ausgebombten Sektor zu investieren. Im guten Stil des Antizyklikers müsste man eigentlich zugreifen. Immerhin: Société Générale zahlt auch dieses Jahr wieder EUR 2.20 Dividende, was fast 9% entspricht. Im Jahr 2018 hat die Bank den Gewinn um 37% auf EUR 3.86 Mrd. gesteigert.

Aktionärsfreundliche Versicherungen  

Mit der Swiss Re hat ein weiteres Schwergewicht der Versicherungsbranche über die Ergebnisse des abgelaufenen Jahres berichtet. Die Zahlen sind durchzogen. Trotzdem will der Konzern die Dividende erhöhen und weitere Aktienrückkäufe lancieren. Mit der aktionärsfreundlichen Politik reiht sich Swiss Re in den Kreis der Mitbewerber, die ihre Aktionäre an den guten Zeiten teilhaben lassen. (siehe auch die Beispiele Zürich oder Allianz)

 

Banken - Versicherungen: zwei unterschiedliche Welten

Im Gegensatz zu den Banken scheinen die Versicherer keine Probleme mit dem Tiefzinsumfeld zu haben (immerhin gehören sie zu den grössten Vermögensverwaltern der Welt), von neuen digitalen Geschäftsmodellen bedroht zu werden oder nachhaltig unter dem komplexen Risikoumfeld zu leiden. Über den Zeitraum von 10 Jahren konnte ein Investor mit einem Basket von europäischen Versicherern eine Gesamtrendite von 14.5% p.a. verbuchen. Und um noch einmal auf die Dividenden zurückzukommen: diese sind in der Ära von Negativzinsen ein wichtiges Kaufargument, vorallem wenn sie stetig steigen, wie dieses Tableau zeigt.

 

Eine Portion Skepsis schadet nicht

Anleger sollten sich nicht von den hohen Dividendenrenditen blenden lassen. Für alte Börsenhasen sind die verschiedenen Fehltritte der Branche unvergessen. Bspw. als es mit der Zürich Versicherung unter dem damaligen Chef Hüppi rasant nach unten ging, oder die peinliche Transaktion, als Warren Buffett der Swiss Re während der Finanzkrise zu Hilfe eilen musste. Aber auch die missratene und kostspielige Übernahme von AWD durch Swiss Life bleibt denkwürdig.

Und tatsächlich: dem Beobachter bleibt nicht verborgen, dass die Aktien der Versicherer speziell anfällig auf Börsenturbulenzen sein scheinen. Mithin kommt der Verdacht auf, dass die Ruhe im Sektor massgebend dem orchestrierten Kapitalmarkt-Umfeld der Zentralbanken zu verdanken ist. Seit der Finanzkrise sind die Versicherungen wahre Überflieger , während das Bild über 20 Jahre, inkl. zweier Börsenkrisen eher betrüblich aussieht.

Ein weiteres Indiz, dass die Qualität der Bilanzen wieder abnimmt, zeigt ein Bericht aus den USA: die dortigen Versicherungen fahren zunehmend eine riskantere Investment-Strategie , um ihre Anlageerträge hoch zu halten.

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

Kommentieren

Zurück zur Übersicht