Brainfood 23.8.2019

Stranger Things  - heisst die Hit-Serie von Netflix, deren 3. Staffel diesen Sommer über den Bildschirm flimmerte. Der Titel passt bestens zum Geschehen an den Finanzmärkten. Wir erleben wunderliche Zeiten und fangen doch am Besten gleich mit Netflix selber an:

Das Unternehmen überbrachte vor kurzem den Investoren die unangenehme Nachricht, dass erstmalig die Anzahl Abonnenten in Nordamerika schrumpfte. International wächst Netflix weiterhin stark.  2.7 Mio neue Nutzer konnten im 2. Quartal begrüsst werden, insgesamt sind es mittlerweile rund 160 Mio. 

Aber: der Streaming-Dienst gehört zu jener Kategorie von Unternehmen, die je grösser sie werden, desto mehr Geld verbrennen. Das Unternehmen hat in den letzten fünf Jahren  kumuliert 7.7 Mrd. USD negativen Cash-Flow erwirtschaftet. In der gleichen Zeit ist der Umsatz von 5.5 auf 15.8 Mrd. angewachsen. Die Kosten für Content (Produktion und Lizenzierung) schwillt exponentiell an. Mittlerweile ist Netflix Zahlungsverpflichtungen über 36 Mrd. USD für die nächsten fünf Jahre eingegangen. Wie soll das langfristig aufgehen? Preiserhöhungen und weiteres Nutzer-Wachstum sollen es richten.

In der Zwischenheit hat Disney Details zum eigenen Streaming-Dienst Disney+ bekanntgegeben. Ab Herbst steigt der Riese der Unterhaltungsindustrie mit einem Angebot zu USD 13 pro Monat (30% billiger als Netflix) ins Rennen. Lebenszeichen gibt auch Apple von sich. Gemäss Berichten erhöht der Konzern das Budget für Original-Content auf USD 6 Mrd. Schwer vorstellbar, dass die Rechnung für alle aufgehen wird. 

 

Ratlosigkeit  - offenbaren die Spitzenkräfte von Blackrock beim Thema "Geldpolitik". Wenn die Vertreter des grössten Vermögensverwalters der Welt sprechen, hören die Finanzmärkte genau hin. Im Juli äusserte sich CEO Larry Fink mit diesen zwei bemerkenswerten Aussagen: "I don't see how the ECB can do more easing, which means deeper negative rates" und "the ECB will need to purchase equities to stimulate Europe's economy". 

Warum Aktienkäufe die Wirtschaft stimulieren sollen erläutert Fink nicht. Möglicherweise hat er aber daran gedacht, dass dies gute Geschäfte für Blackrock bedeuten könnte.

Einen gänzlich anderen Ansatz postulierte der Schweizer Blackrock Verwaltungsrat Philipp Hildebrand. Im Gespräch mit Bloomberg plädiert er ebenfalls für neue Instrumente, um eine allfällige Rezession abzufedern. Ihm schwebt eine geeignete Variante von "Helikoptergeld" vor: "..putting money directly in the pockets of consumers or corporates.."

Rezession  - der Begriff macht die Runde an den Finanzmärkten. Die deutsche Wirtschaft schrumpft bereits und inverse Zinskurven werden allenthalben als Vorläufer für einen globalen Abschwung ins Feld geführt.

Ob das Wachstum der grossen Industrienationen in naher Zukunft gegen Null oder gar deutlich negativ tendiert, können wir nicht abschätzen. Was jedoch absehbar ist, sind sinkende Unternehmensgewinne. Der Fachbegriff für das Phänomen heisst "Earnings Recession". Diese tritt ein, wenn die Gewinne der Firmen zwei Quartale hintereinander schrumpfen, ohne dass notwendigerweise die Gesamtwirtschaft rückläufig ist. In den USA ist das bereits der Fall, zum ersten Mal seit 2016, wie das Analyseunternehmen FactSet berechnet.

Wie entwickeln sich Gewinne bei den hiesigen Unternehmen? 80% der SMI und SMIM Firmen haben mittlerweile über die Geschäftsentwicklung des ersten Halbjahres berichtet. Die Gewinne sind dabei gesamthaft um rund 4% gestiegen. Lediglich ein Drittel musste Gewinneinbussen einstecken. Die Schweizer Unternehmen schlagen sich also wacker in einem schwierigen Umfeld.

Softbank - Masayoshi Son, Gründer von Softbank, ist mit Sicherheit einer der grössten Finanzjongleure unserer Zeit. Bekannt für seinen kühnen Optimismus,  prognostizierte er kürzlich, dass die Tech Investments der Gruppe in den nächsten 20 Jahren einen Wert 1.8 Billionen USD erreichen werden. Das entspräche einem jährlichen Zuwachs von 20%. 

Ob das gut kommt, darf bezweifelt werden, wenn man sich die hochriskante Strategie von Beteiligungen wie UBER (Softbank Anteil 13%) oder WeWork (Softbank Investment USD 10 Mrd.) vor Augen hält. Eines muss man Son aber zu Gute halten. Er kann Geld mobilisieren. Mit seinem Vision Fund I über 100 Mrd. USD hat er Venture Capital als Anlageklasse in neue Sphären geführt. Jetzt legt er mit dem Vision Fund II nach, auch damit sollen über 100 Mrd. USD beschafft werden.

Wer sind die Investoren, die Softbank soviel Geld anvertrauen? Neben den üblichen Verdächtigen wie Sovereign Wealth Funds aus dem arabischen Raum will Softbank selber USD 38 Mrd. investieren und auch die Mitarbeiter sollen bis 15 Mrd. USD beitragen wie die FT berichtet. Wohlverstanden mitfinanziert via Krediten von Softbank selber. 

Wie und wo investiert Vision Fund die reichlichen Mittel? Aufgefallen ist soeben ein Start-up mit Schweizer Hintergund. Energy Vault mit Sitz in Lugano (gegründet 2018) erhält eine Kapitalspritze über USD 110 Mio. USD. Energy Vault hat ein neuartiges Energiespeichersystem entwickelt. Das Hubspeicherkraftwerk besteht aus einem gigantischen Turm aus kostengünstigen Bricks (Typ Legostein), von denen jedes 35 Tonnen wiegt. Ein zentral integrierter Spezialkran lagert diese Steine von oben nach unten um. Bei der Abwärtsbewegung wird gespeicherte Energie nahezu ohne Energieverlust wieder  in Elektrizität zurückgewandelt.

Dieses Video zeigt, wie das System funktioniert. Unser erster Eindruck: könnte gut auf den Mars passen und ist wirklich nur für Investoren mit visionärer Perspektive geeignet.

 

Europa - sieht unruhigen Monaten entgegen. Im Fokus stehen Italien mit der politischen Dauerkrise und natürlich der anstehende Brexit. Die Aktienmärkte scheint das wenig zu beeindrucken. Der italienische FTSE MIB Index liegt solid im Plus und auch der FTSE 100 deutet Gelassenheit an, was allerdings auch dem Kurszerfall des Pfund geschuldet ist.

Auffallend schwach zeigen sich hingegen spanische Aktienwerte . Das Land hat niemand auf dem Radar. Die letzten Konjunkturdaten signalisieren ansprechendes Wachstum. Staatsanleihen rentieren nahe Null (10 Jahre +0.11%). Hingegen geht es mit den iberischen Banken steil nach unten und der politische Stillstand fordert seinen Tribut: den spanischen Regionen geht das Geld aus. Sofern der Premier Minister bis Ende September keine Regierung bilden kann, gibt es auch in Spanien später im Herbst Neuwahlen. Ein Börsen-Bonmot besagt, dass politische Börsen kurze Beine haben. So gesehen wären spanische Aktien aus relativer Optik eine interessante Wette. 

CEO Saläre  - erhitzen alljährlich die Gemüter der Öffentlichkeit. Allerdings steigt der Druck auf übertrieben hohe Entschädigungen. Wie die Financial Times berichtet, sind die CEO-Vergütungen der 100 grössten Unternehmen in Grossbritannien zum fünften Mal in Folge rückläufig. GBP 3.4 Mio (ca. CHF 4.3 Mio. zu letztjährigen Umrechnungskursen) verdient der durchschnittliche Chef eines FTSE 100 Unternehmens.

Wie sieht es in der Schweiz aus? Ein Blick auf die 45 wichtigsten börsenkotierten Firmen ( SMI und SMIM ) zeigt Durchschnittsbezüge von CHF 4.8 Mio., 4% weniger als im Vorjahr. Eliminiert man die drei Spitzenverdiener von Credit Suisse, UBS und Roche, liegt die Zahl bei CHF 4.2 Mio. Mit anderen Worten: die hiesigen Manager verdienen viel, aber im internationalen Vergleich nicht auffällig viel. Die Prognose sei gewagt, dass die Tage der übergrossen Löhne von Grossbank-Chefs gezählt sind. Sie passen weder zum Zeitgeist noch zur Performance ihrer Unternehmen.

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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