Brainfood 24.1.2020

Im Schneckentempo - ist letztes Jahr die UBS über die Ziellinie gekrochen. Der Gewinn ist um 5% geschrumpft auf USD 4.3 Mrd. Immerhin, das ist ein stattlicher Gewinn, wenn man die absolute Zahl betrachtet. Die UBS ist zudem gut mit Eigenkapital ausgestattet (13.7% EK Quote) und spielt mit 2.6 Billionen USD verwalteten Vermögen in der obersten Liga der globalen Asset Manager mit. Solides Business also, mit wenig Dynamik.

Ganz anders sieht es bei JP Morgan aus. Die Amerikaner haben im abgelaufenen Jahr den grössten je von einer Bank erzielten Gewinn eingefahren. 36 Mrd. USD, das ist gewaltig. Die Kennzahlen zeigen, wie enorm der Rückstand der Schweizer, stellvertretend für die europäische Bankbranche, mittlerweile ist. Es ist wie wenn die Young Boys gegen Liverpool antreten, zwei Klassen Unterschied , wobei es eine kleine Ausnahme gibt. Bei der Vergütung spielen Management und Verwaltungsrat durchaus in der Champions League mit. Die UBS Geschäftsleitung bezog 2018 eine Gesamtvergütung von 100 Mio. USD, bei JPM waren es USD 106 Mio für die fünf Top Manager. Aus der Sicht des Aktionärs muss man feststellen, dass es an der Zeit ist, die Saläre der Spielstärke anzupassen.

Die Anleger - haben es sich in der Komfortzone gemütlich eingerichtet. Warum auch nicht, denn die Märkte steigen seit Monaten mit Unterstützung der Notenbanken in zügigem Tempo. Seit September, als das Fed mit der erneuten Bilanzausweitung startete, legt der S&P 500 um 15% zu. Auffällig ist die Wertvermehrung bei den grossen Tech Firmen: Apple +45%, Microsoft +24%, Alphabet +26% und Amazon +9% - die Big4 haben nun allesamt die unvorstellbare Börsenkapitalisierung von 1+ Billionen USD überschritten. Zur Erinnerung, alle Schweizer Blue Chips im SMI bringen es auf knapp 1.5 Billionen Franken. 

Der amerikanische Aktienmarkt ist mittlerweile so stark konzentriert wie zu Zeiten der Dotcom Blase. Die vier genannten Unternehmen haben mit 15% ein aussergewöhnlich hohes Gewicht im S&P 500 Index. Der starke Trend hin zu passivem Anlegen mittels ETFs verstärkt die Sogwirkung der Megacaps zusätzlich. Das Risiko in diesen Titeln scheint derweil begrenzt. Dank teilweise monopolartiger Marktstellung verzeichnen die Giganten hohe Wachstumsraten, rsp. exorbitante Gewinnmargen, die üppige Dividenden und massive Aktienrückkäufe ermöglichen.

Es scheint also, dass nichts schiefgehen kann. Die hohe globale Verschuldung, nachlassende Dynamik in China, Stagnation in Deutschland oder das Risiko eines "grünen Schwans" vermögen den Börsenzug nicht zu stoppen. Das einzige was zählt, ist Liquidität zum Nulltarif. Beides gibt es von den Notenbanken.

 

Wohneigentum  - gilt in vielen Ländern als ultimatives Lebensziel, auch in der Schweiz streben die Menschen nach den eigenen vier Wänden. Die Wohneigentumsquote hat seit den 50er Jahren von unter 30% auf rund 40% zugelegt, was aber weit unter dem Wert vieler Länder Europas liegt. Diese Quote wird zukünftig nurmehr schwer zu steigern sein, denn die hohen Preise machen den Erwerb von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern für die meisten Schweizer zunehmend unrealistisch. Im politischen Fokus befindet sich jedoch der Mietwohnungsmarkt, was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass trotz Negativzinsen insbesondere in den Städten, rsp. dort wo die Arbeitsplätze sind, bezahlbare Mieten ein rares Gut sind.

Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind absehbar. Der Unmut in der Bevölkerung steigt und die Politik reagiert mit willkürlichen Markteingriffen wie jenen in Berlin oder hierzulanden mit Vorstössen, wie der SP Initiative "Ja zu mehr bezahlbarem Wohnraum" über die wir in Kürze abzustimmen haben.

 

Die Fehlentwicklungen am Immobilienmarkt sind nicht nur ein Hirngespinst von linken Kapitalismuskritikern. Das Wirtschaftsmagazin Economist bezeichnet die Obsession mit Wohneigentum als chronische Krankheit des westlichen Wirtschaftssystem, die das Wachstumspotential, Fairness und die Akzeptanz des Kapitalismus gefährlich unterminiert. Die explodierenden Kosten für Wohnraum haben zu nicht akzeptabler Ungleichheit geführt: 1990 war in den USA ein Drittel des marktmässigen Immobilienbestands im Besitz der Baby-Boomer (Durchschnittsalter 35 Jahre damals). 2019 besitzt die anzahlmässig vergleichbare Millennial Generation (31 Jahre) noch 4% des Immobilienbestands. Es wird also niemanden überraschen, dass Bernie Sanders & Co. auf eine treue Anhängerschaft zählen können. Ob in der Schweiz die sozialistische Welle nach dem Beben in den nationalen Wahlen weiterrrollt, sehen wir am Abstimmungswochenende vom 9. Februar.

Inklusiver Kapitalismus - bedeutet in den Worten von Siemens Chef Joe Kaeser, dass "Unternehmen ihren tieferen Sinn dann finden, wenn sie Wert nicht nur für Shareholder und Stakeholder schaffen, sondern für eine integrierte Interessengemeinschaft." 

Nach Kaeser's Ansicht haben sich Arm und Reich zu sehr voneinander entfernt. Die Ungleichgewichte haben ein Mass erreicht, das nicht mehr hingenommen wird. Tatsächlich breitet sich Kapitalismus-Skepsis weiter aus. Gemäss einer Umfrage sollen in den USA 36% der Millennials dem Kommunismus gegenüber positiv eingestellt sein. 2018 waren es erst 28%. Die Umfrageergebnisse können nicht ganz abwegig sein, denn Bernie Sanders bleibt mit seiner linkspopulistischen Agenda hartnäckig im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur.

 

Diese Entwicklung birgt für Unternehmen Risiken, wie ausgerechnet Siemens erfahren musste. Das PR Desaster um den Auftrag für eine australische Kohlemine zeigt, dass die Öffentlichkeit rasch Druck aufsetzt, wenn ein Unternehmen seiner Corporate Social Responsibility nicht nachkommt.

 

Dass es auch anders geht zeigt die Britische Fast Food Kette Greggs. Ethisches und verantwortliches Handeln sind quasi Zutaten der Erfolgsrezeptur der Traditionsfirma. Das Unternehmen zahlt seinen 25'000 Mitarbeitern 10% des Jahresgewinns als Bonus aus. 1% des Gewinns fliessen in die Greggs Foundation, die z.B. 36'000 bedürftigen Schulkindern täglich ein gratis Frühstück anbietet oder die berufliche Reintegration von Häftlingen am Ende ihrer Gefängnisstrafe unterstützt. Die Löhne befinden sich über dem gesetzlichen Minimum und die Arbeitszeiten sind so organisiert, dass es den Mitarbeitern leichter fällt, ihren familiären Verpflichtungen nachzukommen, was bei einem 70% Frauenanteil in der Belegschaft zentral ist. Der Rentabilität des Unternehmens und den Aktionären hat diese Politik nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Gewinnmargen sind seit 2013 um 60% gestiegen, Greggs hat jährlich 100 neue Verkaufsstellen eröffnet und der Aktienkurs hat sich verfünffacht. 

 

Ein Stromschlag  - liegt in der Luft, wenn man das Geschehen im Bereich der Elektromobilität betrachtet. Da wäre einmal die Tesla Aktie erwähnenswert. Diese hat sich seit Mitte 2019 im Wert auf 570 USD verdreifacht. Was ist geschehen? Dem Unternehmen ist es gelungen, endlich seine Produktion hochzufahren. Im 4. Quartal rollten 87'000 Stück des Model 3 vom Fliessband. Dann waren da noch die Aufreger um das Marsmobil (Cybertruck), die geplante Fabrik in der Nähe von Berlin und kürzlich die Feier zur Auslieferung der ersten Fahrzeuge aus der Gigafactory Shanghai. Und was sicher positiv zu werten ist, Tesla erwirtschaftet mittlerweile einen positiven Cash Flow.

Der Optimismus der Investoren ist masslos: der Unternehmenswert steht zur Zeit beim 48fachen des EBITDA. Würden für Tesla hingegen die gleichen Massstäbe angewendet wie z.B. bei BMW, die Aktie hätte einen Wert von lediglich 60 Dollar.

 

Die epische Geschichte um Elon Musk und sein Unternehmen müsste also bedeuten, dass das Geschäft mit E-Autos boomt. Dem ist aber (noch) nicht so, im Gegenteil. Erstmals überhaupt sind die Verkäufe 2019 weltweit gefallen. Grund dafür ist der Wegfall von Subventionen in China und andernorts. Die E-Welle ist jedoch am anrollen. Die Verkaufsvolumen werden anziehen, dafür sorgen u.a. neue Tesla Konkurrenten mit attraktiven Modellen.

 

Der schleppende Absatz hat seine Spuren an einem ganz anderen Ort hinterlassen. Der Preis für Lithium ist in den vergangenen zwei Jahren in einem typischen Schweinezyklus eingebrochen. Darauf folgend sind Minen in Kanada und Australien Pleite gegangen und mittendrin stösst man wieder auf den Namen Softbank. Der grösste VC Investor der Welt steckte 2018 80 Mio. USD in das kanadischen Lithium Projekt Nemaska . Dieses Unternehmen ging nun im vergangenen Dezember bankrott.  Jetzt pendelt sich das Angebot langsam wieder ein und es ist absehbar, dass die Kurve der Preise von Lithium und der Produzenten in nicht ferner Zukunft wieder nach oben zeigt, was man von der Tesla Aktie aus heutiger Sicht nicht erwarten sollte.

 

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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