Der Blick vom Weissenstein

 

In Episode 4 unserer "Mini-Serie" kommen zwei Vertreter der digitalen Welt zu Wort. Pascal Hügli und Désirée Müller gehören zur Next Generation auf dem Schweizer Finanzplatz. Sie engagiert sich als Crypto Unternehmerin, er ist Journalist und Buchautor - beide sind Experten in Sachen Digital Finance.

Liebe Désirée, besten Dank, dass Du Dich für dieses Interview zur Verfügung stellst.

Wie geht es Dir?

Sehr gut - gesund und voller Elan!

 

Wie hat sich Dein Alltag verändert?

Ich geniesse die Entschleunigung und nutze digitale Tools, um von zu Hause zu arbeiten. Das geht effizienter als erwartet. Zwischendrin ist Sport, Spazieren mit Hund Obelix, malen und viel kochen angesagt.

 

Diese Krise könnte für mein Geschäft - Crypto - ein wichtiger Rückenwind werden. Insbesondere wenn man bedenkt, dass aktuell sehr viel Geld in die Wirtschaft gepumpt wird. Da sind begrenzte und mittelfristig unkorrelierte Anlagen plötzlich gefragt.

 

Wie hast Du seit Anfang März Dein engeres Umfeld erlebt? Hat sich die Qualität dieser Beziehungen verändert?

Ja. Man nimmt persönliche Begegnungen plötzlich als viel wertvoller war, weil sie rar geworden sind. Ganz zu schweigen von einer Umarmung. Man ruft plötzlich Menschen an, einfach um zu fragen, wie es ihnen geht. 

Das Joggen geniesse ich bewusst und ohne Natel und mit viel Achtsamkeit für die Natur.

 

Was sind aus Deiner Sicht die nachhaltigsten Konsequenzen von Corona?

Diese Erfahrung mit "Mangel" führt dazu, dass wir unseren Konsum verändern. Anstatt Lücken zu füllen, werden wir die Erlebnisse viel mehr wertschätzen. Persönlicher Kontakt erhält einen höheren Stellenwert. Man wird in Zukunft mehr Masken sehen, potentielle Impfpflicht, Händedruck wird verschwinden. Das finde ich äusserst schade, weil ein Händedruck so viel über eine Persönlichkeit aussagt. Internationale Reisen werden wahrscheinlich immer eingeschränkter. Dafür erholt sich die Natur.

 

Die Krise führt zu einer Auseinandersetzung mit neuen Technologien wie digitale Konferenztools, Blockchain und Crypto. Und zu flexiblen Arbeitsmodellen. Einige Branchen werden verschwinden, andere werden gestärkt aus dieser Situation hervorgehen.

 

Gibt es für Dich auch positive Aspekt der Krise?

Die Frage ist immer, ob man Opfer oder Täter ist. Ich sehe in jeder Situation Chancen. Corona zwingt einen dazu, sein Wertverständnis zu überdenken, und das ist gut so. Was und wer ist mir wichtig, wie will ich meinen Alltag gestalten, und wofür stehe ich ein.

 

Orts- und zeitungebundenes Arbeiten ist plötzlich problemlos möglich. Die Menschen setzen sich mit der Digitalisierung auseinander, und dazu gehört neben Skype und Zoom letztlich auch Crypto und Blockchain. Diese Themen zu ignorieren wäre fahrlässig.

 

Welches sind die Lehren, die wir aus der Corona-Krise ziehen sollten?

Nichts ist selbstverständlich! Man sollte dankbar sein für die Freiheit, mit der wir uns bewegen können. Reisen, Händedruck und unverschleierte Gesichter sollte man in Zukunft noch viel mehr geniessen.

 

Wie lautet Dein Appell oder Leitsatz an die Öffentlichkeit?

Geniesse den Moment bewusst, und verschiebe nichts auf Morgen. Wir wissen ja nicht, was kommt.

 

Zur Autorin:

Désirée Müller hat nach dem Banking and Finance Master an der Universität St. Gallen als Portfolio Managerin bei der Credit Suisse und bei GAM gearbeitet. Vor zwei Jahren gründete sie mit ihrem Geschäftspartner Reto Stiffler zwei Firmen im Crypto Bereich. Sie unterrichtet im Bereich "Digital Finance" an der HWZ und für den Certified Crypto Finance Expert.

Aktivität, Genuss und Kreativität sind für sie wichtig: Länder bereisen, verschiedene Kulturen und Sprachen kennenlernen, der alljährliche St. Galler Halbmarathon, das Wandern in Arosa, Kochen für Gäste und eine grosse Leidenschaft für Wein und die Kunst - www.art-desiree.com.

 

www.swissrexag.ch | www.cryptoconsultingag.ch

Lieber Pascal, besten Dank, dass Du Dich für dieses Interview zur Verfügung stellst. 

Wie geht es Dir?

Mir geht es bestens. Die Tage sind zwar etwas länger geworden, die Schlafenszeit etwas kürzer. Das dürfte sich für viele paradox anhören, doch gibt es eine einfache Erklärung dafür: "Stay Home" schafft Freiräume. Kein Arbeitsweg, kein Fussballtraining, kein Fitnesstraining, keine Abendausflüge. Da verliert man sich schnell einmal in der Arbeit, der Weiterbildung, dem Lesen. Auf Dauer könnte diese Produktivität nicht aufrechterhalten werden. Umso wichtiger, dass man die Gunst der Stunde zu nützen weiss.

 

Wie hat sich Dein Alltag verändert?

Als Unternehmen mussten wir unsere Aktivitäten zwangsläufig drosseln. Unsere Konferenzen und Live -Veranstaltungen sind vorerst auf Eis gelegt. Unsere Publikationen laufen weiter, doch hat sich auch der Werbemarkt stark zurückgezogen. Gleichwohl geben wir unser Bestes. Wir nutzen die Zeit, unsere digitalen Event-Angebote zu stärken. Bei unseren Krypto- und Fintech-Lunches kommen wir auf fast 100 Teilnehmer. Das baut auf! Persönlich hat sich mein Alltag wie bereits erwähnt, intensiviert. Da ich mich seit jeher mit möglichen Krisen und finanzwirtschaftlichen Verwerfungen beschäftige, werde ich derzeit durch Kollegen und Familie vermehrt um Einschätzungen gebeten. Natürlich masse ich mir nicht an, schlauer zu sein oder mehr zu wissen, sondern teile einfach meine Eindrücke und Einschätzungen der gegenwärtigen Situation.

 

Wie hast Du seit Anfang März Dein engeres Umfeld erlebt. Hat sich die Qualität dieser Beziehungen verändert?

Die gegenwärtige Sitaution eint und spaltet zugleich. Es ist ein Tauziehen zwischen Emotio und Ratio. Beide Reaktionen, die emotionale als auch die rationale, haben ihre Berechtigung. In unseren stark politisierten, hypermoralisierten Gesellschaften werden Emotion und Vernunft jedoch allzu stark gegeneinander ausgespielt. 

Es kommt zu Grabenkämpfen, Anschuldigungen, Trotzreaktionen. Das war auch in meinem Umfeld nicht anders. In den meisten Fällen dürften sich die Wogen wieder glätten und die Beziehungen gar gestärkt werden. Bedauerlich ist, wo das Virus als Ideologie-Test nicht verstanden wird. Meiner Meinung nach könnte das gerade in der Politik der Fall sein, was für die nächsten Jahre nichts Gutes verheissen würde.

 

Was sind aus Deiner Sicht die nachhaltigsten Konsequenzen von Corona?

Der legendäre chinesische Philosoph Lao Tzu soll einmal gesagt haben: "Those who have knowldege don't predict. Those who predict don't have knowledge." Wenn ich also nach Prognosen gefragt werde, dann versuche ich Vergangenheitsmuster in Gegenwartsbeobachtungen zu detektieren, um damit Zukunftsaussagen zu wagen. Dabei fallen mir im Zusammenhang mit einer Post-Corona-Welt folgende Punkte ein: Protektionismus verkleidet als Lokalismus, indirekte wirtschaftliche Verstaatlichung durch Zentralbanken, Cloud versus Land, Primat des Digitalen, Video als neue Plattform, take the longtail or fail. Alle, die sich wenig unter diesen Punchlines vorstellen können, dürfen mich sehr gern kontaktieren.

 

Gibt es für Dich auch positive Aspekte der Krise?

Krise bedeutet immer auch Chance, zumal Krise ja im ursprünglichen griechischen Wortsinn auch Trennung, Scheidung, Wendepunkt bedeutet. Eine Krise kann also auch dazu dienen, sich von Altlasten zu trennen, die Krisis bewirkt dann die Katharsis, die Bereinigung, um es mit einem anderen griechischen Begriff zu sagen. Was ich in Politik und Marktwirtschaft (oder was von letzterem heute noch übrig ist) allerdings weniger sehe, hoffe ich als Unternehmen und Person angehen zu können. Die eigene Situation, das eigene Geschäft, das eigene Tun zu hinterfragen, zu ändern und allenfalls auch Neues zu wagen.

 

Welches sind die Lehren, die wir aus der Corona-Krise ziehen sollten?

Ich spreche nicht gern von einem "Wir" oder einem Kollektiv namens "Gesellschaft". Noch weniger glaube ich, dass wir als gesamte Gesellschaft für alle geltende Regeln aus dieser Corona-Krise ziehen sollten. Ich weiss, für manche Ohren klingt das verstörend. Gerade weil mir eine funktionale Gesellschaft jedoch am Herzen liegt, versuche ich, als in der konkreten Situation handelndes Individuum mit gutem Beispiel voranzugehen. Gewisse Umschwenker werden wir alle nötig haben, in gewissen Punkten werden wir weitermachen, als wäre nichts gewesen. Die Entscheidung muss aber dort getroffen werden können, wo sie gemacht wird. Meine Befürchtungen gehen leider dahin, dass sich die Politik im Nachgang zur Krise allzu sehr aufspielen wird.

 

Wie lautet Dein Appell oder Leitsatz an die Öffentlichkeit?

Etwas erstaunt war ich schon, wie Staaten, Unternehmen, aber auch einzelne Menschen durch die Krise auf dem falschen Fuss erwischt worden sind. Als dann die Covid-19 Kredite mit staatlicher Hilfe gesprochen waren, schien sich alles schlagartig zu beruhigen. In zahlreichen Online- und Telefongesprächen glaubte ich vor allem folgende Haltung rauszuhören: Die Lage ist hoffnungslos, nicht aber ernst. Mir jedoch scheint die Lage sehr wohl ernst, nicht aber tragisch. Tragisch wäre sie dann, wenn wir tief fallen könnten. Wer sich aber schon vor der Krise etwas ganzheitlich mit der realen Welt beschäftigt hat, hätte erahnen können, dass wir mit einem Bein bereits längst durch die morschen Strukturen gebrochen sind und die Fallhöhe, anders als vielfach betont, gar nicht mehr so hoch ist. 

Mein Leitsatz für die Zukunft: Suche Erkenntnis und Verständnis über die reale Welt, was es dir erlaubt, das Leben des fröhlichen Apokalyptikers bestreiten zu können.

 

Zum Autor:

Pascal Hügli, ist Wirtschafts- und Finanzjournalist bei 10x10. Seinen Fokus legt Pascal Hügli auf Digital Finance, Bitcoin und Geldpolitik. Gleichzeitig arbeitet er als Dozent an der HWZ und titt als Moderator, Keynote Speaker und Panelist immer wieder auf.

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