Brainfood 9.11.2018

Die Kursausschläge an den Aktienmärkten haben es seit einigen Wochen in sich. Wer aber nach den empfindlichen Rückschlägen im Oktober mit noch Schlimmerem gerechnet hat, dürfte nun erst einmal erleichtert aufatmen. Oder wurde im ungünstigen Fall auf dem falschen Fuss erwischt, wenn er sich angesichts aller Verunsicherung erst einmal vom Aktienmarkt verabschiedet hat.

 

In den vergangenen zwei Handelswochen behielten nämlich die Bullen wieder einmal die Überhand, wobei die mit grosser Spannung erwarteten Zwischenwahlen in Amerika trotz allem Wahlkampfgetöse keine neuen Kursausschläge auslösten. Seit Ende Oktober legte der S&P 500 Index um 5.9% zu, für den hiesigen SPI Index beträgt das Plus 4.3%.

 

Nun, wo die Unsicherheiten um den Wahlausgang in Amerika vorerst aus dem Weg geräumt sind, können sich die Investoren zum Jahresende wieder den Aktualitäten aus der Wirtschaft zuwenden. Der Fokus liegt wie bis anhin beim amerikanisch-chinesischen Handelsstreit, der letzten (erwarteten) Zinserhöhung der US Notenbank, der (unerwarteten) Entspannung am Ölmarkt und den saisonalen Kursbewegungen zum Jahresende.

 

Der geneigte Leser ahnt es, hier wird das Argumentarium für ein Jahresendrally vorbereitet. Und tatsächlich ist uns der Beitrag von Pictet Asset Management aufgefallen. Die Genfer erhöhen die Aktienquote und rühren die Werbetrommel für Emerging Markets (Aktien und Bonds) sowie zyklische Industriewerte. 

 

Blackrock - Ist mit USD 6.5 Billionen verwalteten Vermögen der grösste Asset Manager der Welt. Das Unternehmen ist der unangefochtene Spitzenreiter im Geschäft mit ETFs. Hierzulande ist Blackrock auch dafür bekannt, dass der Finanzriese einflussreiche Schweizer Banker beschäftigt, beispielsweise Philipp Hildebrand oder Matthias Cabiallavetta. Zuletzt wurde mit Mjriam Staub-Bisang der Schweizer Chefposten neu besetzt. Überhaupt setzt Blackrock bei Spitzenkräften auf schlagkräftige Insider. So sitzt beispielsweise Friedrich Merz, der die Nachfolge von Kanzlerin Merkel als CDU Parteivorsitzender anstrebt, im Verwaltungsrat des deutschen Ablegers. Diese uneimliche Ballung von Einfluss und Macht ist verdächtig, wie SRF schon anno 2012 berichtete. Seither ist die Firma noch einmal in eine andere Dimension gewachsen.

Wenn also Blackrock eine Losung ausgibt, dann lohnt es sich genau hinzuhören. Mehrfach in jüngerer Zeit hat CEO Larry Fink über die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeitsanlagen hingewiesen. Er spricht gar von einer "ESG Revolution", indem dieses Anlagesegment von zur Zeit USD 25 Mrd. auf USD 400 Mrd. global anwachsen wird. Selbstredend, dass Blackrock sich ein ordentliches Stück des Kuchens selber abschneiden will. Für Anleger, die gerne vom ESG Trend profitieren möchten, wäre demnach der Kauf der Blackrock Aktie die ideale Lösung, denn die Frage, ob Nachhaltigkeitsanlagen tatsächlich eine bessere Performance bringen, ist noch nicht geklärt. Die Produktanbieter und ihre Aktionäre verdienen hingegen auf alle Fälle mit.

Ems Chemie - Bei diesem Namen denkt die Schweizer Öffentlichkeit reflexartig an die Familie Blocher, welche die Geschicke dieser Firma seit über 30 Jahren lenkt. Seit dem Jahr 2004, man glaubt es kaum, dass es so lange her ist, leitet Magdalena Martullo-Blocher das Unternehmen. Dies tut sie mit Erfolg, wenn man sich den Kursverlauf der Aktie vor Augen führt. Einige Eckwerte zur Geschäftsentwicklung der letzten Jahre zeigen, dass EMS ein Musterbeispiel für ein erfolgreiches, international aufgestelltes "Family Owned Business" ist. Die Bodenständigkeit zeigt sich auch darin, dass die Vergütung für die Geschäftsführerin nicht die astronomischen Dimensionen anderer Branchen erreicht. Im Jahr 2017 bezog Martullo-Blocher eine Gesamtvergütung (inkl. VR Honorar) von CHF 1.328 Mio. Das ist sicher nicht unanständig, wenn man bedenkt, dass sich der EMS Börsenwert seit 2010 bis heute von CHF 3.9 Mrd. auf CHF 13.2 Mrd. steigerte. Nun müsste man meinen, dass im Zeitalter von Geschlechtergleichstellung und Frauenförderung Martullo-Blocher als Vorzeigebeispiel taugen würde. Aber weit gefehlt. In den Schweizer Medien interessiert vorwiegend das Milliardenvermögen der Blocher Familie und die Person von Martullo-Blocher dient als Parodie Vorlage, wie dieses aktuelle Interview zeigt.

Es gibt gute Gründe, dem politischen Wirken der Blocher Dynastie kritisch zu begegnen. Aber es ist interessant zu sehen, dass der Mainstream im Sinne der politischen Korrektheit gerne mit zwei Ellen misst.

Zur Aktie noch ein Wort: Der Titel ist teuer und hat im Branchvenvergleich eine hohe Prämie. Das wird Investoren, die schon lange dabei sind kaum kümmern. Neuanlagen drängen sich nach den langen Jahren des Bullmarktes kaum auf.

 

Big Blue - Ist der Spitzname unter Börsianern für das traditionsreiche Unternehmen. In den 80er und 90er Jahren war IBM eine Macht am US Aktienmarkt mit einer Gewichtung von 6.4% im S&P 500 Index im Jahr 1985. Zum Vergleich: Apple bringt es heute als Spitzenreiter auf 4.4%, IBM noch auf 0.5%.

Der Bedeutungsverlust des Tech Dinosauriers ist offensichtlich, obwohl IBM immer noch ein bedeutender Dienstleister in der Branche ist und bei einem Umsatz von rund USD 80 Mrd. einen Gewinn von USD 11 Mrd. erarbeitet.

Gegen den schleichenden Niedergang kämpft CEO Virginia Rometty seit 2011 mit mässigem Erfolg. Mit über 50 Mrd. USD verpulverte IBM unter ihrer Führung viel Geld für Aktienrückkäufe, die letztlich nichts gebracht haben. Nun holt Rometty zum grossen Schlag aus. Mit dem angekündigten Kauf von Red Hat soll IBM den Rückstand im Cloud-Computing auf Amazon, Google und Microsoft eliminieren. Die Strategie riecht nach einer Verzweiflungstat und wird das Schicksal von Rometty's Karriere definieren. Die Red Hat Transaktion kostet USD 34 Mrd. und wird zur Hälfte mit Krediten finanziert. Alleine die Zinskosten von gegen USD 500 Mio. werden fast doppelt so hoch sein wie der letztjährige Gewinn von Red Hat.

Rometty gehört übrigens zu den Grossverdienern in Corporate America mit Bezügen von USD 32 Mio. im Jahr 2016 und USD 18 Mio. letztes Jahr. In der Zeit seit ihrem Amtsantritt ist der Aktienkurs um 35 % gefallen.

Weightwatchers - ist uns mit einem Kurseinbruch von knapp 30 % aufgefallen. Grund ist die enttäuschende Entwicklung der Mitgliederzahl, die innerhalb eines Quartals von 4.5 auf 4.2 Mio. gefallen ist. Weightwatchers ist grundsätzlich in einem boomenden Markt aktiv: Wellness und Wellbeing. Bis im Jahr 2015 ging das Unternehmen jedoch einem stetigen Niedergang entgegen und fand keine Strategie um das verstaubte Image loszuwerden und von den Trends der digitalen Welt zu profitieren. Konkurrenten wie MyFitnesspal (mittlerweile mit 150 Mio. Nutzern und von Under Armour aufgekauft) liessen Weightwatchers alt aussehen. Dann aber stieg Ende 2015 Oprah Winfrey in den Ring, beteiligte sich mit 10 % selber am Kapital und nahm Einsitz im Verwaltungsrat. 2017 wurde die Geschäftsleitung mit Mindy Grossman neu besetzt und der Zug nahm nun richtig Fahrt auf. Innerhalb eines Jahres verfünffachte sich der Aktienkurs und erreicht Mitte dieses Jahres USD 103.

Grossman konnte sich nach ihrer erfolgreichen Karriere bei Ralph Lauren und Nike als Star feiern lassen. Wenige Monate später ist jedoch die Luft fürs erste aus der Celebrity Blase entwichen, die Aktie ist noch USD 52 wert. Ob Grossman's Jahresgage im Umfang von USD 33 Mio. (2017) werthaltig ist, rsp. die neue Strategie zum Erfolg führt, werden die kommenden Quartale zeigen. 

Bitcoin - Zehn Jahre sind vergangen, seit das Phantom "Satoshi Nakamoto" mit einem neunseitigen Whitepaper (um im Startup Jargon zu bleiben) das Fundament für die heutige Crypto Industrie legte. Reuters hat zum Jubiläum die Meilensteine zusammengetragen. Und eines kann man sicher sagen: Heute lachen die bärtigen Computer Nerds, die damals mit Bitcoin Mining angefangen haben, denn die ersten Coins waren 0.008 USD wert.

A propos Mining: Was die Krypto Community gern unterschlägt, ist der exorbitante Energieverbrauch für die "elektronische Geldschöpfung". Wie die Washington Post berichtet, sollen gemäss einer neuen Studie die globalen Klimaziele obsolet werden, wenn sich der Bitcoin flächendeckend als Transaktionsmittel durchsetzt. Soviel zum Thema Nachhaltigkeit. Aufgefallen ist uns ebenfalls das Preisverhalten des Bitcoins. Wie an diesem Chart abzulesen ist, klebt der Preis seit Wochen knapp über der USD 6'000 Marke. Das sieht merkwürdig aus, und da niemand weiss, wie sich Angebot und Nachfrage gestalten, kann man dazu nur eines sagen: "Mind the gap"

Weekend Brainfood ist unsere Auswahl an Beachtenswertem, das im Verlauf der Woche aufgefallen ist. Kuratiert und ergänzt mit eigenen Meinungen.

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